Alte Feindbilder bedienen oder „Sicherheit neu denken“?

Protest in der Münchner Innenstadt – Foto: IPPNW München

In einem frühlingshaften München versammelten sich am 15. Februar 2020 etwa 3.000 bis 5.000 Demonstranten mit Trillerpfeifen und sambastarkem Protest gegen die Münchner Sicherheitskonferenz. Mit einer über den Köpfen schwebenden Rakete aus dem „Bücheler Bombenbalett“ war die Münchner IPPNW-Gruppe gut sichtbar an der Menschenkette durch die Fussgängerzone beteiligt. Die Stimmung war ausgesprochen gelöst und heiter. So weit – so gut.

Nachdenklich stimmten mich die Reden auf der Schlusskundgebung am Marienplatz. „Die Politiker“, namentlich genannt, wurden lautstark als Kriegstreiber gebrandmarkt, neue Feindbilder geschaffen. Wenn Worte töten könnten …! Wirbt man so für den Frieden? Schade um diese verpasste Chance, den Menschen am Marienplatz einen echten, bunten Friedensaufruf mitzugeben.

Abends, in einem Vorort vor den Toren Münchens, konnte man dem Friedenskonzept „Sicherheit Neu Denken“ zuhören, das von dem Koordinator dieses Projektes Ralf Becker vorgestellt wurde. Mit einem Best Case und einem Worst Case-Szenario will dieses Konzept Menschen und Politiker gleichsam dazu anregen, den Übergang „von einer militärischen zu einer zivilen Sicherheitspolitik“, so der Untertitel, machbarer werden zu lassen. Denn in einer komplexen Gesellschaft gibt es keine einfachen Wahrheiten, und die militärgläubige Haltung vieler Politiker*innen ist leider breit in der Bevölkerung repräsentiert. Für eine echte Friedenspolitik muss noch viel grundsätzliche Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das Konzept „Sicherheit neu denken“ liefert eine gute Grundlage. Politik heisst die gesamte Gesellschaft mitnehmen zu können, ansonsten drohen Spaltung und gewalttätige Entladungen.

Für solche demokratischen Prozesse braucht es einen langen Atem, Begleitforschung durch die Sozialwissenschaften, viele begeisterte Menschen und last but not least eine finanzielle Ausstattung, die das bisherige Militärbudget langfristig ablöst. Denn friedliche Konfliktlösungen sind billiger und nachhaltiger als militärische. Schon eine mittelfristige Finanzierung, bei der jedem militärischen Euro ein Euro für Friedenspolitik gegenübersteht, wäre ein respektabler Fortschritt gegenüber dem heutigen Ist-Stand.
Die deutsche IPPNW, so war von Ralf Becker zu hören, ist an dem Unterstützerkreis für dieses gesellschaftlich breit angelegte Bündnis „Sicherheit neu denken“ bereits beteiligt.

Dr. Josef Raab, IPPNW-Regionalgruppe München