Die Türkei ist weiter und mit Billigung der Hälfte der Bevölkerung auf dem Weg in eine Präsidial-Diktatur. Präsident Erdogan wird bis zur Präsidentenwahl 2019 mit harter Hand unter den Bedingungen des Ausnahmezustands weiter regieren. Täglich werden weiter Menschen verhaftet, die ersten Schauprozesse haben begonnen. Mitte Juli gab es in Diyarbakir Razzien in den Wohnungen und Praxen früherer Vorsitzender der Ärztekammer und führender Mitglieder der Gesundheitsgewerkschaft SES. Mehrere KollegInnen wurden inhaftiert, Dr. Necdet Ipeküz wegen seiner Herzerkrankung zunächst wieder frei gelassen. Dr. Küni, der Arzt aus Cizre, der zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, weil er im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit während der Ausgangssperre Anfang 2016 in Cizre Menschen behandelt hatte, die als „Militante“ verdächtigt wurden, wartet weiter auf die Revision in Gaziantep. Dort wurden zunächst die zuständigen Richter und Staatsanwälte ausgetauscht. Über einen Termin ist nichts bekannt.
Wenn Deutsche verhaftet werden, gibt es einen kurzen Aufschrei und markige Sprüche von der Bundesregierung, die sich ansonsten von Präsident Erdogan am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Über die Ereignisse in den Kurdengebieten gibt es weiterhin keine offiziellen Verlautbarungen. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Februar 2017 werden weder die Besatzung, noch die Zerstörung der kurdischen Städte noch gar die Vertreibung von bis zu 500.000 Menschen erwähnt. Die PKK bleibt auf der Terrorliste, politisch aktive Kurden werden auch in Deutschland inhaftiert und zu Haftstrafen verurteilt. Dabei hört man wenig vom Terror der PKK und anderer radikaler Gruppen außer den Islamisten. Vielleicht ist die PKK durch die ständige Bombardierung ihrer Rückzugsgebiete in den Kandilbergen im Nordirak mehr geschwächt als bisher bekannt, vielleicht auch sind ihre Kräfte in Irak und Syrien beim Kampf gegen den IS gebunden, vielleicht auch setzen sich diejenigen Führer durch, die in Terror und Gewalt keinen Weg sehen. Wir können hier nur spekulieren.
Es gibt die ersten Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über Asylanträge von Flüchtlingen, die 2015 nach den ersten Ausgangssperren z,B, aus Cizre nach Deutschland geflohen sind. Die Anträge wurden als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Dabei könnte Politik durchaus darüber nachdenken, hier eine Gruppenverfolgung der vertriebenen Menschen anzunehmen. Was gefährdete Journalisten und Akademiker angeht, so wäre es wünschenswert, unbürokratisch Wege der Mitarbeit und Betätigung in Deutschland zu öffnen, wie es z.B. die TAZ mit ihrer 2-sprachigen taz.gazete macht.
Für uns als Zivilgesellschaft bleibt die Herausforderung, die Verbindung zur anderen Hälfte der Bevölkerung zu halten und unsere Solidarität mit den verfolgten Freunden deutlich zu zeigen.
Dr. Gisela Penteker, IPPNW
Danke für die eindringlichen und klaren Informationen
Was tun?