Am vergangenen Montag, den 11. Mai 2020, fand die Auftaktveranstaltung der öffentlichen Debatte zur Bewaffnung von Drohnen statt. In den Podiumsdiskussionen mit unterschiedlichen Akteur*innen aus Politik und Wissenschaft wurde unter ethischen, militärisch-technokratischen und rechtlichen Aspekten über die ballistische Aufrüstung der bereits geleasten israelischen (noch-)Aufklärungsdrohnen debattiert. Die fünfstündige Veranstaltung im Bundesverteidigungsministerium wurde live auf YouTube übertragen. Gleichzeitig konnte man auf Twitter Fragen und Kommentare senden, von denen Ausgewählte mit in die Debatte hineinflossen.
Vor der Debatte kam es zu einer Kundgebung mit anschließender Mahnwache vor dem Bundesverteidigungsministerium, zu denen die Friedenskoordination Berlin eingeladen hatte. Etwa 40-45 Menschen trafen sich trotz schlechten Wetters und zeigten Banner mit Sprüchen wie „Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr“ oder „Kampfdrohnen ächten“. Es gab mehrere Reden von Friedensaktivist*innen und Politiker*innen. Elsa Rassbach, Mitbegründerin der Drohnen-Kampagne und Drohnensprecherin von DFG-VK, attac, und CODEPINK Germany, meinte unter anderem, es gäbe in der Wahrnehmung einer Bedrohung einen großen Unterschied zu puren Aufklärungsdrohnen und wagte den Vergleich mit Deutschland: „Was, wenn über unseren Köpfen deutsche bewaffnete Drohnen fliegen würden?“. Da fühle man sich nicht sicherer, sondern bedroht.
Aus dem politischen Lager sprachen Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Karl-Heinz Brunner, Abgeordneter für die SPD und Mitglied im Verteidigungsausschuss und Obmann im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, sowie Linken-Abgeordneter Tobias Pflüger, auch stellvertretender Parteivorsitzender und verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, der anschließend auch an der Podiumsdiskussion im BMVg teilnahm. Pflüger stellte unter anderem fest, dass „wenn Waffen zur Verfügung stehen, diese auch entsprechend eingesetzt werden“. Dies sei auch ein wesentlicher Punkt, weshalb seine Partei die Bewaffnung ablehne. Ricarda Lang betonte, dass Drohnen nicht dem Zweck der Verteidigung, sondern des Angriffs dienen und dies dazu führen würde, dass weltweit aufgerüstet werden würde. Auch die Frage der Art und Weise der gesellschaftlichen Debatte wurde in den Reden hervorgehoben. Eine Entscheidung über die Bewaffnung sei während der Corona-Krise nicht vertretbar, da es u.a. nicht einmal möglich sei, eine vollumfängliche Debatte zu führen.
Die Debatte im Verteidigungsministerium begann mit der Einschätzung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Eberhard Zorn. Durch die Beschaffung angriffsfähiger Drohnen könne die Sicherheit der Soldat*innen im Einsatz erheblich erhöht werden, so Zorn. Die israelischen Heron TP-Drohen seien zudem sehr präzise, sodass sogenannte „Kollateralschäden“ vermieden werden könnten. Auch aus militärischer Sicht sprach Oberst Matthias Ehbrecht. Er sprach davon, dass er „seine“Soldat*innen schützen möchte und zeigte keine ethischen Bedenken: Durch die Befehls- und Entscheidungsketten sehe er keine Gefahr der „Entfremdung“. Auch die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann stellte den Schutz der Soldat*innen an vorderste Stelle in der Debatte und meinte zugleich es sei ein „Wahnsinn“, unbemannte Flugmaschinen unbewaffnet einzusetzen.
Der Militärbischof Sigmund Rink sprach mehrere Aspekte an, die ihm und der Gesellschaft Unbehagen bereiten. Neben dem Begriff, der bereits eine „unschöne“ Wertung signalisiere, würde er sich auch fragen, was der Einsatz solcher Drohnen für die Zukunft bedeute. Er spekulierte, ob es in der zukünftigen Kriegsführung überhaupt noch einen Einfluss des Menschen geben wird, oder ob es darauf hinauslaufe, dass irgendwann nur noch die Maschinen mithilfe von Künstlicher Intelligenz den Krieg führen werden. Dieses Thema wurde auch während der Diskussion zwischen den Politiker*innen aufgegriffen und kontrovers diskutiert. Während manche dies noch in weiter Ferne sehen, kamen andere mit dem Argument, dass es doch bereits ein solches europäisches Projekt gäbe. Beim deutsch-französisch-spanischen FCAS-Projekt (Future Combat Air System) sollen Kampfjets von durch künstliche Intelligenz gesteuerten Drohnen begleitet werden und diese gegebenenfalls schützen.
Ein weiteres mehrfach angesprochenes Thema war die Art und Weise, wie Kriege mit Drohnen von anderen Nationen, vor allem den USA, geführt werden und was das für eine Wirkung auf die Einstellung zu Drohnen in der Gesellschaft habe. Die USA setzen Drohnen nicht nur in völkerrechtlich anerkannten Kriegen zwischen Nationen ein, sondern auch für sogenanntes Target Killing im „Krieg gegen den Terror“. Für Deutschland komme diese Art der Kriegsführung nicht in Frage, so Fritz Felgentreu, SPD-Abgeordneter und Obmann im Verteidigungsausschuss. Hier sei eben der entscheidende Punkt, wofür genau bewaffnete Drohnen in der Bundeswehr dienen sollen.
Weltweit werden jährlich hunderte Zivilisten durch Drohnenangriffe getötet, bei denen sie nicht das Ziel waren. Dass Deutschland dies verurteilt, darüber waren sich alle Parteien einig. Dennoch sprachen sich CDU, FDP und AfD für den Einsatz von Kampfdrohnen aus, da vor jedem Angriff eine lange Entscheidungskette gegeben sei und jeder Einsatz genau überprüft werden würde. Ein weiteres Argument war der Hinweis, dass über jedes Mandat der Bundeswehr ja der Bundestag entscheide und er somit im weiteren Sinne „vom Volk“ mitgetragen werde. Die LINKE und Bündnis 90/Die Grünen lehnen dagegen jeglichen Einsatz dieser bewaffneten Drohnen ab. Katja Keul, Grünen-Abgeordnete im Verteidigungsausschuss, erklärte, sie sehe momentan kein Einsatzszenario, bei dem die Bundeswehr auf solche Waffensysteme angewiesen sei. Die Hemmschwelle für Angriffe würde durch den Einsatz sinken und auch anderen Nationen den Ansporn geben, in Drohnen zu investieren. Deutschland solle nicht zu einem „Proliferator“ solcher Systeme werden, da sich die Sicherheitslage der Welt stark verändern würde.
Juristisch gesehen seien unbemannte bewaffnete Drohnensysteme grundsätzlich rechtmäßige Einsatzmittel, solange die Waffen die völkerrechtlichen Bestimmungen einhielten, erklärte Prof. Heintschel von Heinegg, Völkerrechtler an der Universität Viadrina. Wenn ein Kollateralschaden (zivile Personen oder Objekte) zu erwarten sei, dürfe dieser nicht in einem „exzessiven“ Verhältnis zum erwarteten militärischen Schlag stehen, erläuterte der Professor. Es bestehe lediglich die Verpflichtung, den Kollateralschaden zu vermeiden oder zu verringern. Dies sei bei gesteuerten Waffen besser möglich als bei konventionellen, nicht-steuerbaren Bomben. Rechtsanwalt Peter Becker (IALANA) argumentierte, dass die Drohnenkriegsführung durch die Amerikaner diskreditiert worden sei. Es sei wichtig, sich von Völkerrechtsbrüchen anderer Parteien zu distanzieren. Der Rechtsanwalt hat auch hinsichtlich der Lokalisierung und Identifikation von Zielen Bedenken. Das humanitäre Völkerrecht fordere nämlich keinen gerichtlichen Beweis, dass es sich bei dem Angriffsziel tatsächlich um ein militärisches Ziel handle. Es reiche lediglich die militärische Einschätzung aus. Hier müsse der Bundestag klare Richtlinien schaffen. Becker erklärte, er würde sich freuen, wenn hier eine Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Friedensorganisationen entstehe.
Die Debatte im Verteidigungsministerium war der Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen, bei denen das Thema diskutiert werden soll. Wie das Bundesministerium bekannt gibt, soll eine „breit angelegte crossmediale Debatte, so offen und transparent wie möglich“ folgen. Darunter fallen Live-Chats mit dem BMVg, Diskussionsveranstaltungen an Universitäten und Informationsveranstaltungen im Bundestag. Auch die „Gegenstimmen“ werden mittlerweile stolz auf Twitter und der Website des BMVg präsentiert. Ob das ausreichend ist und diese Debatte letztlich den nötigen Zuspruch bekommt, muss sich wohl noch herausstellen. Mehrere Politiker und Organisationen kritisierten bereits den Vorgang des BMVg. Andrej Hunko, Wehrexperte der Linksfraktion nannte die Debatte eine „Alibiveranstaltung“, die Koalition würde nämlich die Bewaffnung egal bei welchem Outcome beschließen.
Pablo Kibbel Calero studiert Internationales Politikmanagement an der HS Bremen und absolviert zurzeit ein Praktikum bei der IPPNW.
Wenn ich von bemannten Drohnen lese oder höre, dann schauert es mich. Ich bin fassungslos, dass Menschen umgebracht, zweifelsohne ermordet werden, ohne dass diese die Möglichkeit erhalten sich zu verteidigen, ob in einem Nahkampf, noch gerichtlich. Sie sind ohne Frage von einem Augenblick auf den andern ohne jede Rechte, also entrechtet. Ich verstehe nicht, wie in unserm Land, dass sich als Demokratie deklariert, solche Pläne überhaupt zur Diskussion stehen können. Mir ist es wichtig, dass bei dieser Diskussion in erster Linie ethische Aspekte zur Diskussion stehen. Hochachtungsvoll Lieselotte Kirstein-Mätzold