Die Zukunft der nuklearen Rüstungskontrolle und des Nichtverbreitungsvertrags

Unter Leitung des Abgeordneten Mathias Höhn fand am 3. März 2020, ein Fachgespräch des Unterausschusses „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ statt. Thema war die Zukunft der internationalen Verträge zur Atomwaffenregulierung und der Kontrolle dieser Waffen.
Fünf Expert*innen aus verschiedenen Stiftungen und Instituten, darunter auch Xanthe Hall, Koordinatorin der politisch-strategischen Arbeit und Atomwaffenexpertin bei der IPPNW Deutschland, referierten und standen den Abgeordneten für Fragen zur Verfügung.

Im kommenden Mai versammeln sich wieder Vertreter von 191 Nationen, um an der Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV) teilzunehmen. Das seit 1970 bestehende Abkommen steht bei den Nicht-Atomwaffenstaaten in der Kritik, weil die Atomwaffenstaaten ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nur unzureichend nachkommen. Der NVV erlebt derweil mehrere Krisen. Erst im Januar drohte der Iran mit dem Rückzug aus dem Abkommen, nachdem die USA den JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action – auch Iran-Atomabkommen) unilateral aufkündigten. Zudem unterzeichneten 120 Staaten im Jahr 2017 einen UN-Vertrag, der Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen und außerdem die Drohung damit verbietet. Deutschland und die NATO-Mitgliedsstaaten weigern sich, diesen Atomverbotsvertrag zu unterschreiben, da sie an der nuklearen Teilhabe festhalten wollen.

Die größten Probleme der Rüstungskontrolle stellten die Informationsknappheit und die Komplexitätszunahme dar, behauptet Torben Schütz, der bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) forscht. Er lieferte mehrere Empfehlungen: Erstens, solle Deutschland und die EU stärker politischen Druck auf die USA und Russland ausüben, um Gespräche über den START-Vertrag (Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen) weiterzuführen, sowie gleichzeitig eine gemeinsame NATO-Position der Rüstungskontrolle anzustreben, um sie an Russland heranzutragen. Außerdem forderte er die Abgeordneten auf, den Informationsaustausch zu fördern und machte darauf aufmerksam, dass der NVV zurzeit nicht darauf ausgelegt sei, Abrüstung voranzutreiben, weswegen man die Nichtverbreitungsposition und die Rüstungskontrolle innerhalb des NVV stärken solle.

Dr. Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) sieht es als wichtig an, den Dialog zu den Befürworter*innen des Atomwaffenverbotsvertrages zu fördern. Er hält es nämlich für unwahrscheinlich, dass Deutschland den Verbotsvertrag unterzeichnet, da dies „allianzpolitisch mit hohen Kosten verbunden“ wäre. Um die Rüstungskontrolle voranzutreiben müsse bei der anstehenden Überprüfungskonferenz ein Konsens für die nächsten fünf Jahre erreicht werden. Der NVV zeige nämlich, dass eine nukleare Ordnung möglich sei, auch ohne Atomwaffenverbotsvertrag.

Aus einer wissenschaftlichen Perspektive sprach Prof. Dr. Malte Göttsche, Physiker an der RWTH Aachen. Er warb dafür, die humanitären Auswirkungen von Explosionen nuklearer Waffen in der Debatte stärker zu betonen. Des Weiteren soll sich Deutschland als „Verifikationsstandort“ für Abrüstung und Kontrolle nuklearer Waffen profilieren, was aufgrund der vorhandenen technologischen Expertise und Wissenschaftslandschaft empfehlenswert sei.

Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW und Vorstandsmitglied von ICAN, betonte die Wichtigkeit des neuen Vertrages, da dieser seine Mitglieder auf höhere Abrüstungs- und Kontrollstandards verpflichte als der NVV es tue. Die allgemeine Zielsetzung beider Verträge stimme jedoch überein. Weiterhin verlangt Hall eine vollständige Abrüstung atomarer Waffen und –systeme, da diese Waffen dem Grundsatz humanitären Völkerrechts widersprächen. Ihrer Meinung nach stärke der Verbotsvertrag den NVV und sie forderte einen Beitritt der Bundesregierung zum Atomwaffenverbotsvertrag. Im Vertrag zwischen Deutschland und der NATO gäbe es keine rechtlichen Hindernisse, um dies zu tun. Dass es eine heikle politische Aktion wäre, wie es Dr. Meier betont hatte, wies sie zurück: zwei NATO-Mitglieder, nämlich Griechenland und das Vereinigte Königreich, seien bereits in der Vergangenheit aus der nuklearen Teilhabe ausgetreten, ohne dass dies größere politische Folgen gehabt hätte.

Xanthe Hall und Mathias Höhn – Foto: Deutscher Bundestag

Mitglieder des Unterausschusses durften in Anschluss an die Statements der Experten Fragen stellen. Leider reichte die Zeit der Sitzung auch nicht aus, um alle Fragen gründlich zu beantworten, was angesichts der Bedeutung dieses Themas notwendig gewesen wäre. Dennoch war es meiner Meinung nach ein interessantes Treffen, bei dem sich die Expert*innen einig waren, dass Atomwaffen stärker abgebaut und kontrolliert werden sollten, als es bis jetzt geschieht. Zudem könne Deutschland eine leitende Rolle im Prozess der Verifikationsarbeit einnehmen. Jedoch fehlt leider bisher der politische Wille in der Bundesregierung, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.

Nun liegt es an den politischen Instanzen, weitere Schritte zu unternehmen, um eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Es ist zu hoffen, dass bei der kommenden Überprüfungskonferenz ein Konsens geschaffen wird.

Eine vollständige Aufzeichnung der Anhörung findet sich hier.

Pablo Kibbel Calero studiert Internationales Politikmanagement an der HS Bremen und absolviert zurzeit ein Praktikum bei der IPPNW Deutschland

Ein Gedanke zu „Die Zukunft der nuklearen Rüstungskontrolle und des Nichtverbreitungsvertrags

  1. Nur Xanthe Hall hat es angedeutet: Der klare völkerrechtliche Bruch durch die atomare Teilhabe Deutschlands. Denn im NPT Vertrag hat sich Deutschland verpflichtet, niemals atomare Waffen zu empfangen und anzuwenden. Trotzdem läßt die Bundesregierung deutsches Militär den Atomkrieg und den Atombombenabwurf üben. Dafür soll in Zukunft für Millarden Euro ein spezielle Flugzeug den jetzigen Tornado ablösen. Es gibt bisher keine ernstzunehmende Initiativen der Bundesregierung, atomare Waffen weiter abzurüsten, im Gegenteil, sie befürwortet sogar neue atomare Waffensysteme, die militärisch die Schwelle der Anwendung noch niedriger gestaltet. Sie macht auch nichts, um einen Atomkrieg aus Versehen unwahrscheinlicher zu machen. Deshalb nehmen immer mehr Aktivist*innen den steinigen Prozessweg in Kauf, um den Artikel 25 GG beim Bundesverfassungsgericht zum Durchbruch zu verhelfen. Elu

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