Global Wave im April 2015: Weltweit setzten Menschen ein Zeichen gegen Atomwaffen. Foto: IPPNW
In diesen traurigen Tagen nach den Attentaten in Ankara, Beirut, über dem Sinai, in Jerusalem und in Paris gibt es auch Lichtblicke. Zumindest was die Abschaffung von Atomwaffen angeht. Die würden wir gerne mit Euch teilen:Wie ihr wisst, hat die IPPNW vor einigen Jahren die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) gegründet. Diese Kampagne hat es mittlerweile geschafft, humanitäre Organisationen wie das IKRK, medizinische Organisationen wie den Weltärztebund und sogar Regierungen davon zu überzeugen, die humanitären Argumente gegen Atomwaffen zum zentralen Fokus des Abrüstungsprozesses zu machen. Nach drei erfolgreichen Staatskonferenzen in Norwegen, Mexiko und Österreich ist diese Forderung mittlerweile von einem Großteil der Regierungen weltweit übernommen worden. Die Tatsache, dass Atomwaffen die einzigen Massenvernichtungswaffen sind, die noch nicht durch einen Verbotsvertrag geächtet, bzw. verboten werden, wurde dabei besonders hervorgehoben.
Vergangenen Dezember veröffentlichte die österreichische Regierung eine Selbstverpflichtung, sich international für einen Prozess einzusetzen, der diese Lücke im Internationalen Völkerrecht durch in geeignetes Vertragswerk schließen würde. Unseres Erachtens wäre ein Vertrag zur Ächtung von Atomwaffen (“Ban Treaty”) der geeignetste nächste Schritt auf dem Weg zu einer Abschaffung aller Atomwaffen.Auf der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im vergangenen Mai war diese „Humanitarian Pledge” Österreichs die am meisten diskutierte konkrete Maßnahme und mittlerweile haben sie 121 Staaten unterzeichnet und sich so zu einem politischen und völkerrechtlichen Prozess verpflichtet – auf der Basis der humanitären Argumente gegen Atomwaffen – also unserer Argumente!
In New York sitzen zur Zeit die Repräsentanten der Staaten auf der 70. Generalvollversammlung der Vereinten Nationen zusammen und beraten unter anderem über vier Resolutionen, die als direkte Folge der Arbeit von ICAN entstanden sind:
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eine Resolution zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen
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eine Resolution, die die Humanitarian Pledge als offizielles UN
Dokument einbringt
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eine Resolution zum ethischen Imperativ, zu handeln
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eine Resolution zur Schaffung einer “Open-Ended Working Group” zur weiteren Befassung mit dem Thema
Unser intensives Lobbying hat sich ausgezahlt: jede dieser Resolutionen passierte den Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit mit den Stimmen der großen Mehrheit aller Staaten. Pressestimmen und Kommentare hierzu:
“In den Vereinten Nationen mussten Regierungen diese Woche entscheiden, auf welcher Seite sie stehen. Die Minderheit, Staaten, die an die Sicherheitsversprechungen von Atomwaffen glauben, wurden als Verhinderer im internationalen Abrüstungsprozess bloßgestellt.“ (Huffington Post)
“Der Logik hinter den humanitären Argumenten können die Atomwaffenstaaten nur schwer etwas entgegensetzen. Egal welche Taktik oder prozedurale Hürden sie nutzen, es zeigt sich, dass sie diese Bewegung nur schwer stoppen können. Die Tatsache, dass die Staaten, die ihre Atomwaffenarsenale behalten möchten, der Idee eines Verbotsvertrags immer feindseliger gegenüber agieren zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.” (Beatrice Fihn, ICAN)
Mit der Open-Ended Working Group, die im kommenden Jahr zwei Wochen in Genf tagen soll, gibt es nun eine neue Gelegenheit, die Diskussion zur vertraglichen Ächtung von Atomwaffen fortzuführen. Es geht konkret um die Stigmatisierung, das Verbot und die Elimination von Atomwaffen, in dieser Reihenfolge. Ein wichtiger Erfolg der Akteure in New York war, dass die sonst übliche Konsensregel für die Working Group verhindert werden konnte.
Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, eine Einstimmigkeit zu erzielen, sondern es darum geht, Mehrheiten zu finden. Das ist unheimlich wichtig, denn die Konsensregel wurde in der Vergangenheit immer wieder von einzelnen Staaten als eine Art Veto genutzt – vor allem von Seiten der Atomwaffenstaaten ist eine konstruktive Zusammenarbeit in dieser Arbeitsgruppe nicht zu erwarten, so dass der Verzicht auf das Konsensprinzip eine zielführende Arbeit erst möglich macht. „Open to all – blockable by none“, also „Offen für alle, blockierbar durch niemanden“ – das ist das das Motto dieses Prozesses und auch der wesentliche Unterschied zu vergangenen Versuchen, die Atomwaffenstaaten mit ins Boot zu holen.
Was jetzt konkret für ICAN und alle Partnerorganisationen ansteht, ist weiteres Lobbying auf Regierungsebene. Vor allem die Staaten, die für die Working Group gestimmt haben, aber die Humanitarian Pledge noch nicht unterzeichnet haben, sollen verstärkt bearbeitet werden. Deutschland spielt in diesem Prozess leider eine unrühmliche Rolle als Unterstützer der Atomwaffenstaaten. Dennoch werden auch wir in der deutschen IPPNW und ICAN weiter unser Bestes tun, um die Regierung in dieser Angelegenheit auf Trab zu halten.Letzte Woche war ich zusammen mit einigen unserer Studierenden in Barcelona auf dem Gipfeltreffen der Friedensnobelpreisträger und konnte dort auch für unsere Strategie und unser Anliegen werben. Im Abschlussdokument des Treffens fordern die Friedensnobelpreisträger gemeinsam alle Staaten auf, sich der Humanitarian Pledge anzuschließen und so schnell wie die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot von Atomwaffen zu schaffen. Mehr als 700 Studierende aus aller Welt waren auf dem Gipfeltreffen anwesend und werden diesen Aufruf zusätzlich in die Welt tragen. Es tut sich etwas – und wir sind maßgeblich daran beteiligt. Das ist ein gutes Gefühl und zeigt, wie wichtig unsere Arbeit weiterhin ist.
Dr. Alex Rosen ist stellvertretender Vorsitzender der deutschen IPPNW.