Newroz hat für die Kurden eine große Bedeutung als Fest des Frühlings und der Freiheit. Es wurde als repressive Maßnahme oft behindert oder verboten. Vor drei Jahren wurde die wichtige Rede von Abdullah Öcalan zum Friedensprozess auf kurdisch und türkisch verlesen und mit großer Begeisterung aufgenommen. In der angespannten Atmosphäre dieses Jahres war das Fest in Diyarbakir erlaubt worden, in vielen anderen Städten dagegen verboten.
Trotz der Warnung vor großen Menschenansammlungen machten wir uns am Morgen auf den Weg mit dem Bus zum Newrozpark. Im Bus begannen die jungen Leute, Revolutionslieder zu singen und zu trillern und die Stimmung wurde immer besser.
Etwa einen Kilometer vor dem Festplatz war Endstation und wir gingen zu Fuß weiter in einer großen Menge anderer Festbesucher. Am Straßenrand wurden gelb-rot-grune Bänder, Tücher und Mützen verkauft und Fahnen, auf denen in Türkisch und kurdish “nein” (hayir/na) zum Referendum stand.
Vor einem Polizeigitter wurde der Zug gestoppt, Männer nach rechts, Frauen nach links.
Langsam und unter bedrohlichem Geschiebe und Gedränge kamen wir durch die Absperrung. Besonders fur einige Mutter mit Kinderwagen war die Drangelei dramatisch. Dahinter folgte gleich die nächste Absperrung, bevor wir bei der dritten zurückgeschickt wurden. Ausländer mussten ein anderes Tor benutzen. Ein junger Mann, der ein Messer dabei hatte, soll bei der Kontrolle erschossen worden sein.
Wir mussten schließlich fast um den ganzen Newrozpark herum laufen, der hermetisch mit einer Doppelreihe umzäunt und von hunderten schwer bewaffneten Polizisten bewacht war, bis wir dann endlich nach einer gründlichen Durchsuchung auf den Festplatz gelangten, wo die Feier bereits in vollem Gange war.
Viele tausend Menschen drängten sich vor der großen Bühne hinter einer weiteren Polizeiabsperrung. Über große Lautsprecher wurden Reden und Musik über den Platz getragen. Osman Baydemir, der fruhere Oberburgermeister von Diyarbakir redete auf kurdisch, auch Ahmet Turk, der Oberburgermeister von Mardin, war unter den RednerInnen. Er rief dazu auf, den Friedensdialog wieder aufzunehmen und nicht zuzulasen, dass Türken und Kurden gegeneinander ausgespielt werden. Die Sonne schien, trotzdem erschien mir die Stimmung nicht so fröhlich wie in anderen Jahren. Es waren auch deutlich weniger Menschen da. In den Reden fielen immer wieder die Namen der inhaftierten Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yuksedag, die Verbitterung über die Besatzung und der trotzige Wille zum Widerstand waren greifbar. Am Rande gab es Gruppen, die zu traditionellen Instrumenten tanzten oder sich zum Picknick gelagert hatten. Viele begrüßten uns herzlich, freuten sich über unsere solidarische Anwesenheit. Soweit wir sehen konnte, blieb die Veranstaltung friedlich und auch wir kamen alle sicher ins Hotel zurück.
Gisela Penteker