Mit etwas Verspätung hier noch einige Eindrücke von der Demonstration „Stopp AirBase Ramstein“ am 9.September 2017. Versammelt waren einige Tausend DemonstrantInnen, nach Angaben der Organisatoren ca. 5.000 Menschen, mit vielen PACE-Fahnen, einigen ATTAC-Bannern, (leider keine IPPNW-Transparente, ich hatte auch keins dabei). Altersdurchschnitt Friedensbewegungs-typisch meist über 40 Jahre, aber durchaus auch jüngere MitstreiterInnen. Freundlich-entspannte Atmosphäre, Polizei meist eher dezent im Hintergrund.
Die Auftaktkundgebungen fanden im Ort Ramstein sowie am Denkmal für die Opfer der damaligen Flugschaukatastrophe (1988) statt. Von dort wurde dann eine kilometerlange Menschenkette gebildet – ein ganz entspanntes, kommunikationsförderndes Unternehmen, das Gelegenheit bot, mit freundschaftlich verbundenen Mitstreitern aus anderen Regionen an diesem Treffpunkt zusammenzukommen und sich auszutauschen. Die gemeinsame Abschlusskundgebung fand in Sichtweite des Haupttors dieses strategisch wichtigen Stützpunkts der US-Streitkräfte für ihre Kriegseinsätze im Nahen und Mittleren Osten statt. Ab und zu donnerte eine der schweren Transportmaschinen über unsere Köpfe.
Bekanntlich ist die AirBase Ramstein inzwischen nicht nur ein zentraler Umschlagplatz für die Nachschublieferungen zu den diversen Kriegsschauplätzen mit US-Beteiligung, sondern auch Standort einer Relaisstation für die tödlichen Drohneneinsätze, die von den USA aus über Ramstein gesteuert werden, und ohne jede rechtliche Legitimität bereits tausenden von Menschen das Leben gekostet haben. Die Bundesregierung, die rechtlich durchaus in der Lage wäre, dieses Wirken ihrer Verbündeten von deutschem Territorium aus zu unterbinden, hält sich diesbezüglich völlig bedeckt – was auf aktive Unterstützung hinausläuft. Peter Jäckel, Anwalt und Vorsitzender der Juristenvereinigung IALANA, stellte dies in seiner Rede bei der Auftaktkundgebung überzeugend dar.
Eine schöne Grußbotschaft von seinem Besuch bei Mikis Theodorakis brachte Henning Zierock aus Griechenland mit: Der berühmte Komponist und politische Kämpfer für Frieden und Demokratie unterstützte unsere Aktion gegen das Geschäft mit dem Tod und den Terror des Krieges. Er rief dazu auf, weg von der Kriegsökonomie hin zu einer Friedensökonomie zu kommen, und das Menschenrecht auf Frieden zu verwirklichen.
Oskar Lafontaine knüpfte in seiner Rede an die Kritik der Ökonomie an: Mit dankenswerter Klarheit sprach er aus, was der von ihm zitierte französische Sozialist Jean Jaurès schon im 19. Jahrhundert formuliert hatte: Der Kapitalismus trage den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen. Für mich überraschend zitierte er den durchaus imperialistisch agierenden US-Präsidenten Teddy Roosevelt, der schon 1913 davon sprach, hinter der angeblichen Regierung stehe eine unsichtbare Regierung, die Entscheidungen über Krieg und Kriegsvorbereitungen im Sinne ihrer Interessen durchsetzt. Lafontaine zitierte eine geläufige wissenschaftliche Definition von Terrorismus: Dieser übe rechtswidrige Gewalt aus, um seine Ziele durchzusetzen – im Grund doch nichts anderes, als die aktuell an vielen Orten des Globus zu erfahrende Praxis, nicht zuletzt auch von AirBase Ramstein aus.
Nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß die Rede des Medien-Akteurs Ken Jebsen („KenFM“), der bei der Auftaktkundgebung in Ramstein sprach. Seine Rede habe ich im Internet rezipiert, und dabei wieder verspürt, dass mir dieser Stil nicht gut gefällt. Jebsen wendet sich, so empfinde ich das, nicht an die selbständige Reflektionsfähigkeit seiner Zuhörer, sondern überflutet im Stakkato-Stil die Zuhörer; ein bisschen erinnerte mich das an die Redeweise von ambulanten Verkäufern, die in Hochgeschwindigkeit auf Marktplätzen eine geniale elektrische Schnürsenkel-Bindemaschine unter die Konsumenten bringen wollen.
Kritik an der politischen Breite des Demo-Bündnisses wurde von der Rednerin des linken Motorradclubs „Kuhle Wampe“ in ihrer Kundgebungsrede vor dem AirBase-Tor ausgesprochen.
Reiner Braun, wichtiger Motor auch dieser Ramstein-Aktion, betonte demgegenüber, politische Vielfalt sei für eine wirksame Bewegung eine wichtige Voraussetzung.
Mein Eindruck: wesentliche Inhalte der Friedensbewegung wie Orientierung an Demokratie, konsequente Ablehnung von Rassismus und Nationalismus, ebenso wie vorurteilslose Haltung gegenüber US-Bürgern, soweit sie keine Akteure des militärisch-industriellen Komplexes sind, gehörten zum prägenden Konsens dieser Demonstration im pfälzischen Ramstein.
Insgesamt: eine erfreuliche Aktion, Dank an die OrganisatorInnen!
Matthias Jochheim