Trinationale Menschenkette Aachen-Tihange-Doel

Aachener Gruppe mit IPPNW-Mitgliedern, die sich an der Menschenkette von Aachen nach Tihange beteiligt hat, Foto: IPPNW

Streckenabschnitt Engis, Belgien
Bericht von Odette Klepper

Am 25. Juni 2017 zeigten 50.000 Menschen auf 90 Kilometern ihren Widerstand gegen Atomkraft und für das Ziel der erneuerbare Energien in den drei Ländern Belgien, Niederlande und Deutschland. Familien mit Kindern und Enkelkindern, AtomkraftgegenerInnen bunt in der Ausstattung mit Fahnen, Trommeln und Musik aus drei europäischen Ländern protestierten gegen die tödliche Atomkraft und für den sofortigen Atomausstieg, der europaweit durchgesetzt werden muss.

In den Wochen und Monaten vor dem Großereignis haben auch wir Aachener IPPNW bei unseren vielen Informationsveranstaltungen ganz kräftig die Werbetrommel gerührt. Zur Menschenkette selbst ist es uns gelungen, an die 100 Menschen aus unserem näheren oder entfernteren Bekanntenkreis zu mobilisieren.

Gundel und Wilfried Duisberg haben sich mit ihrer Gruppe zu Fuß oder per Rad auf den Weg gemacht nach Gulpen, auf halber Strecke zwischen Maastricht und Aachen.
Wir restlichen IPPNWlerInnen sind mit einem Bus und mehreren Autos nach Engis gefahren. Wir standen auf einer Industriestraße 11 Kilometer vor Tihange. Die Stimmung war heiter und gelöst. Während in Aachen und Vaals, der ersten Gemeinde auf holländischem Boden, die Menschen Schulter an Schulter standen, ja manchmal sogar in Doppelreihen, mussten wir schon Bänder, Schirme und Jacken zu Hilfe nehmen, um die Kette zu schließen. Wir hätten allerdings leicht einen zweiten Bus füllen können, wenn es denn noch einen solchen in Aachen gegeben hätte, so viele Unentschlossene haben sich auf den letzten Drücker bei uns gemeldet.

Etwa die Hälfte der Teilnehmer unserer Gruppe waren BelgierInnen aus den deutschsprachigen Gebieten Belgiens. Die Bevölkerung der Deutschsprachigen Gemeinde (DG) ist mehrheitlich für ein Abschalten von Tihange und Doel und sämtliche politischen Parteien der DG haben eine Resolution verfasst, in der sie das sofortige Abschalten von Tihange 2 und Doel 3 fordern. Die deutschsprachige Bevölkerung macht jedoch leider nur 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Belgiens aus, hat also nicht sehr viel Einfluss.

An unserem Standort waren auch einige französischsprachige BelgierInnen, aber sie waren rar gesät. Die wallonische Bevölkerung steht unserem Protest eher skeptisch gegenüber, manche sogar feindlich. Alle BelgierInnen, auch unsere ProtestlerInnen, haben Angst vor einem Energie-Black-out. Diese Gefahr wird ihnen von Politik und Betreiber seit Jahren suggeriert. Neuerdings wird uns von vielen BelgierInnen unser Festhalten an der Braunkohle vorgeworfen, welche hier und jetzt die Umwelt real verpesten würde und nicht nur bei einem potentiellen Unfall. Dieser Argumentation bedient sich neuerdings auch Electrabel/Engie, der französische Betreiber der belgischen AKWs.

Trotz vieler Animositäten gibt es auch in der Wallonie aktive Menschen, die öffentlich das Abschalten von Tihange und Doel fordern und die Menschenkette intensiv beworben haben. Unter ihnen befinden sich ein oder zwei, die das Aufstellen einer Messstation des Tihange Doel Radioaktivitäts-Messnetzes in ihrem Garten erlaubt haben und damit die frühzeitige Wahrnehmung eines radioaktiven Fallouts ermöglichen.

Diese Menschen gilt es zu unterstützen und die Menschenkette war dazu eine gute Gelegenheit. Jedenfalls haben das deutschsprachige und das französischsprachige belgische Fernsehen sehr ausführlich und differenziert über die Menschenkette berichtet, deutlich ausführlicher als in Deutschland.

Streckenabschnitt Gulpen, Niederlande
Kommentar von Dr. Wilfried Duisberg

50.000 Menschen aus den Niederlanden, Luxemburg, Belgien und Deutschland reichten sich die Hand und bildeten eine 90 Kilometer lange Kette, um auf die sehr konkrete Bedrohung der Atomkraftwerke Tihange und Doel aufmerksam zu machen.
Monate sehr intensiver Vorbereitungsarbeiten ganz vieler Menschen des Aktionsbündnisses Anti-AKW Aachen, AAA, und „.ausgestrahlt“ haben diesen friedlichen, beeindruckenden Kraftakt erst möglich werden lassen. Viele Tausend Euro Organisationskosten wurden zusammengelegt. Die lokalen Medien haben die Aktion tatkräftig mit Büroräumen und ganzseitigen Zeitungsanzeigen über viele Wochen unterstützt. Viele Bürgergruppen, Kirchengemeinden, Freundeskreise und Einzelpersonen haben sich per Charterbus, mit Fahrrädern, zu Fuß und per Pkw auf den weiten Weg gemacht und sich in den zugewiesenen Streckenabschnitten mit den tri-nationalen Nachbarn Hand in Hand aufgestellt, um von 14.45 bis 15 Uhr eine geschlossene Menschenkette zu bilden.

Aber interessiert das irgendjemanden der politisch Verantwortlichen? Der an diesem 25. Juni 2017 noch designierte Ministerpräsident von NRW, der Aachener Armin Laschet, hat lieber einen Tennispreis überreicht als vor Ort Solidarität zu bekunden, der Kanzlerkandidat Martin Schulz, selber aus Würselen bei Aachen kommend, verzichtet auf jeden Hinweis auf die Menschenkette bei der SPD-Programm-Tagung, und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt keinerlei Reaktion. 20 Sekunden Tagesschau, das war’s!

Der örtliche Städteregionsrat Helmut Etschenberg (CDU) wird wieder bestätigt in seinem Zitat: Für „Die“ in Berlin sind wir das neue Zonenrandgebiet! Genauso abgehängt werden wir mit unseren Nöten nach einem Unfall in Tihange oder Doel behandelt werden. Belgien ist dann selber bankrott und Deutschland kann uns auch nicht mehr helfen.

Wir müssen noch lauter, eindringlicher, fordernder, ja auch frecher werden! Über Hamburger Krawalle sich (berechtigterweise) entsetzt geben, aber diesen seit vielen Jahren größten, internationalen, friedlichen Anti-Atom-Hilferuf wortlos zu übergehen, ist absolut inakzeptabel, Frau Bundeskanzlerin Merkel!

Streckenabschnitt Maas in Oupeye, Belgien
Bericht von Dr. Angelika Claußen

Aus den Regionen Ostwestfalen – Lippe und Münsterland hatten sich knapp 200 Menschen in vier Bussen aufgemacht, um an fünf Streckenpunkten an der Maas in Oupeye, Belgien zu demonstrieren. Überwiegend Deutsche, aber auch belgische Familien nahmen teil. Es gab Musik und Spiele für die Kinder.

Die verschiedenen Anti-Atominitiativen aus NRW und Niedersachsen sind im Bündnis um die Atomanlagen in Lingen und mit den Aachenern eng verbunden. Sie fordern die neue CDU-FDP Landesregierung weiter heraus, für den Atomausstieg in Gronau und Lingen zu handeln und die Stilllegung von Tihange und Doel gegenüber der belgischen Regierung durchzusetzen.

Unsere Proteste gehen weiter: gemeinsam mit den grenznahen süddeutschen Anti-Atominitiativen, die zusammen mit ihren französischen PartnerInnen für die Stilllegung von Fessenheim und Cattenom kämpfen.

Weitere Proteste und Aktionen sind bereits geplant. Das nächste große bedeutende Ereignis ist der Klimagipfel in Bonn (COP 23, 06.11. – 17.11.2017), wo wir im Bündnis „Don’t nuke the climate“ für den kompletten Ausstieg aus fossilen Energien, also Ausstieg Kohle und Atom, demonstrieren werden. Es braucht den Druck aus der Zivilgesellschaft. Die Aachener IPPNWlerinnen haben uns gezeigt, wie es geht!