Wir werden Euch nicht helfen können: Hiroshima-Gedenken in Kiel

Das zerstörte Hiroshima, 1945. Foto: gemeinfrei

Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde! Wir haben uns hier heute, am 6. August, ebenso wie in den vergangenen Jahren versammelt, um der Opfer der Atombombenabwürfe auf die Städte Hiroshima und Nagasaki vor 79 Jahren zu gedenken. Die erste der zwei Bomben wurde am 6. August 1945 über Hiroshima gezündet, das damals eine Bevölkerung von etwa 340.000 Menschen hatte. Die Explosion verursachte einen riesigen Feuerball mit Temperaturen bis zu 4.000 Grad Celsius, Mengen an Radioaktivität wurden freigesetzt, gefolgt von Hitze- und Druckwelle. 45.000 Menschen wurden am ersten Tag getötet, nach anderen Schätzungen 70.000 Menschen. Ich werde jetzt aus dem Zeugenbericht einer Überlebenden der Atombombenexplosion von Hiroshima zitieren, es ist der Bericht von Frau Akiko Takakura über den 6. August 1945:

Frau Takakura war 20 Jahre alt, als die Bombe abgeworfen wurde. Sie befand sich in der Bank von Hiroshima, 300 Meter vom Hypozentrum entfernt. Auf wundersame Weise entkam Frau Takakura dem Tod, von über 100 Fleischwunden auf ihrem Rücken abgesehen. Sie ist eine der wenigen Überlebenden, die näher als 300 Meter vom Hypozentrum entfernt waren. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung ihres Zeugenberichts im Jahr 1986 hat sie einen Kindergarten betrieben und den Kindern von ihren Erfahrungen aus dem Atombombenangriff berichtet.

Frau Takakura berichtet:

„Nachdem der Fliegerangriffalarm vorbei war, ging ich von Hatchobori zur Bank von Hiroshima in Kamiya-cho. Ich erreichte die Bank etwa um 8:15 Uhr und schrieb meinen Namen in das Anwesenheitsbuch. Als ich meine Morgenroutine erledigte, die Tische abstauben und solche Dinge, wurde die Atombombe abgeworfen. Alles, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich plötzlich eine Art Blitz sah […]

Ich verlor das Bewusstsein kurz nach, oder vielleicht auch im selben Moment, in dem ich den Blitz sah. Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, fand ich mich selbst im Dunkeln wieder. Ich hörte meine Freundin, Frau Asami, nach ihrer Mutter rufen. Kurz danach wurde mir bewusst, dass wir tatsächlich angegriffen wurden. Besorgt darüber, vom Feuer eingeschlossen zu werden, riet ich Frau Asami, aus dem Gebäude zu laufen. Frau Asami jedoch sagte nur, dass ich sie zurücklassen und versuchen sollte, selbst zu entkommen, weil sie dachte, sie würde es nirgendwohin schaffen. Sie sagte, sie könne sich nicht bewegen. Ich sagte ihr, dass ich sie nicht zurücklassen könnte, aber sie antwortete, dass sie nicht einmal aufstehen könne. Während wir redeten, wurde der Himmel immer heller. Dann hörte ich Wasser, das im Waschraum lief. Anscheinend waren die Wasserleitungen explodiert. Also schöpfte ich mit meinem Helm Wasser und goss immer wieder etwas über den Kopf von Frau Asami. Schließlich erlangte sie wieder vollständig das Bewusstsein und verließ mit mir das Gebäude.

Zuerst wollten wir über die Paradeplätze fliehen, aber das war nicht möglich, weil eine große Feuerwand uns im Weg war. Stattdessen kauerten wir uns auf der Straße hin, in der Nähe eines großen Brunnens zur Feuerabwehr, der etwa so groß war wie dieser Tisch. Weil Hiroshima vollständig in Flammen stand, war uns fürchterlich heiß und wir konnten nicht gut atmen. Nach einer Weile erreichte uns ein Feuerwirbel aus dem Süden. Es war wie ein großer Feuer-Tornado, der sich über die ganze Breite der Straße erstreckte. Wo und was auch immer das Feuer berührte, wurde verbrannt. Es verbrannte mein Ohr und mein Bein, in dem Moment realisierte ich nicht, dass ich verbrannt war, aber ich bemerkte es später. […]

Der Feuerwirbel, der die ganze Straße bedeckte, näherte sich uns aus Richtung Ote-machi. Also versuchte jeder verzweifelt, vom Feuer fern zu bleiben. Es war wie die lebende Hölle. Nach einer Weile begann es zu regnen. Das Feuer und der Rauch machten uns so durstig und es gab nichts zu trinken, kein Wasser, und der Rauch zerstörte auch noch unsere Augen. Als es zu regnen begann, öffneten die Menschen ihre Münder, reckten ihre Gesichter gen Himmel und versuchten, den Regen zu trinken, aber es war nicht leicht, die Regentropfen mit dem Mund aufzufangen. Es war schwarzer Regen mit dicken Tropfen. […] Sie waren so groß, dass es richtig schmerzhaft war, wenn die Tropfen uns trafen. Wir öffneten unsere Münder etwa so, so weit wie möglich im Bemühen unseren Durst zu stillen. Alle taten dasselbe. Aber es war einfach nicht genug. Irgendjemand, irgendjemand fand einen leeren Behälter und fing damit den Regen auf. […]

Vielleicht konnte ich nicht genug Regen auffangen, jedenfalls war ich immer noch sehr durstig und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Was ich in dem Moment fühlte, war, dass ganz Hiroshima mit drei Farben bedeckt war. Ich erinnere mich an Rot, Schwarz und Braun, aber, aber, nichts weiter. Viele Menschen auf der Straße wurden unmittelbar getötet. Die Fingerspitzen dieser Toten fingen Feuer und das Feuer breitete sich von den Fingern allmählich über den ganzen Körper aus. Eine hellgraue Flüssigkeit tropfte von ihren Händen und versengte ihre Finger. Ich, ich war so geschockt darüber, dass Finger und Körper so verbrannt und deformiert werden konnten. Ich konnte es einfach nicht glauben. Es war schrecklich. Während ich das sah, war es für mich mehr als schmerzhaft, mir vorzustellen, wie diese Finger verbrannten, Hände und Finger, die eigentlich Babys halten oder Seiten umblättern, dass sie, dass sie einfach so verbrannten.

In den Jahren nach dem Atombombenabwurf hatte ich fürchterliche Angst vor Feuer. Ich war nicht in der Lage, in die Nähe von Feuer zu kommen, weil alle meine Sinne sich daran erinnerten, wie furchtbar und schrecklich Feuer war, wie heiß die Flammen waren und wie schwer es war, die heiße Luft zu atmen. Es war wirklich schwer zu atmen. Vielleicht weil das Feuer all den Sauerstoff verbrannt hat, den es gab. Nicht nur ich, jedem ging es so. Und mein ganzer Körper war mit Wunden übersät.“

Soweit das Zitat von Frau Takakura, das das Grauen dieses Tages beschreibt, soweit das in Worten überhaupt möglich ist. Wenn wir der Opfer der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki gedenken, ist dies immer auch mit der Warnung und der Verpflichtung für uns verknüpft, dass sich solche Verbrechen und solches Grauen nicht wiederholen.

„Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden“: Dieser Satz stammt aus einer gemeinsamen Erklärung von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan, den Präsidenten der UdSSR und der USA, beim Abschluss des INF-Vertrags 1987, der alle nuklear bestückbaren Mittelstreckenwaffen in Europa abschaffte. 2019 haben die USA den Ausstieg aus dem Vertrag erklärt, der dann außer Kraft gesetzt wurde. Die USA und Russland beschuldigten sich gegenseitig, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Insgesamt haben die Verträge zur Rüstungskontrolle und zur Abrüstung eine wechselhafte Geschichte durchlaufen, die hier nicht im Detail dargestellt werden kann.

Die Stadt Kiel hat sich vor vielen Jahren dem Bündnis der Mayors for Peace angeschlossen, in der Überzeugung, dass sich die Katastrophe der Atombombenabwürfe niemals wiederholen darf, und wissend, dass immer und immer wieder an die schrecklichen Folgen dieser  Atombombenexplosionen von Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 erinnert werden muss. Damit das damit verursachte Leid nicht in Vergessenheit gerät, werden die Flaggen der Mayors for Peace regelmäßig mehrfach im Jahr am Kieler Rathaus gehisst.

Zusätzlich hat sich Kiel vor fünf Jahren dem ICAN-Städteappell angeschlossen (Stadtratsbeschluss vom 16. Mai 2019). Kiel unterstützt und begrüßt damit den 2017 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen und fordert die Bundesregierung zum Beitritt auf.

Deutschland muss dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten! Denn natürlich gilt weiterhin: Der Königsweg zur Verhütung eines Atomkriegs ist die Abschaffung aller Atomwaffen!

Was wären die Folgen einer Atombombenexplosion in Kiel?

Wenn über dem Kieler Militärhafen eine Atombombe mit der Sprengkraft von 15 Kilotonnen explodiert, dann würdem am selben Tag 17.000 Menschen sterben und 40.000 verletzt werden. Im Zentrum würde ein Feuerball entstehen, in dem alles verglüht, mit einem Radius von 200 Metern. Zu schweren Explosionsschäden kommt es mit einem Radius von 440 Metern. Starke Betongebäude werden schwer beschädigt oder zerstört; die Zahl der Todesopfer liegt bei nahezu 100 %. In diesem Bereich liegt der überwiegende Teil des Militärstützpunkts.

Die radioaktive Strahlung trifft die Menschen mit einer wahrscheinlich tödlichen Dosis bis in eine Entfernung von 1,2 Kilometern. Der Tod durch die Strahlenkrankheit tritt bis zu einem Monat nach der Explosion auf. 15 % der Überlebenden sterben schließlich an Krebs als Strahlenfolge. Diese Zone reicht von der Holtenauer Schleuse im Norden und umfasst den Stadtteil Wik und die Hebbelschule. Bei der Explosion kommt es zu einer gewaltige Druckwelle, die unmittelbar zum Tod führt oder Verletzungen an Lungen und inneren Organen verursacht. In einem Radius von 1,7 Kilometern käme es zum Einsturz fast aller Gebäude und darauf folgend zu Bränden. Jeder Mensch in dieser Zone würde verletzt, es gäbe viele Todesopfer. In diesem Bereich liegt das Zentrum für Integrative Psychiatrie.

Die Hitzewelle verursacht bis zu einer Entfernung von knapp zwei Kilometern schwere, oft tödliche Verbrennungen. In dieser Zone liegt das Lubinus Clinicum. Betroffen wären von Druck- und Hitzewelle die Stadtteile Holtenau im Norden, Ravensberg und Düsternbrook im Süden. In einem weiteren Umkreis mit einem Schadensradius von 4 ½ Kilometern ist zu erwarten, dass Glasfenster zerbrechen und zahlreiche Verletzungen auftreten. In diesem Bereich liegen die Universitätsklinik Kiel und das Städtische Krankenhaus und die Schmerzklinik Kiel.

Am Ende des ersten Tages wäre mit 40.000 Verletzten zu rechnen. Kiel hat knapp 2.500 Klinikbetten, aber fünf Kliniken mit zusammen über 2.000 Betten wären mehr oder weniger zerstört. Ein großer Teil des Gesundheitspersonals wäre tot oder verletzt. Die meisten Bombenopfer würden sich selbst überlassen bleiben. Darum sagen wir als IPPNW: Wir Ärztinnen und Ärzte werden Euch nicht helfen können! Das Kernanliegen der internationalen Organisation von Ärztinnen und Ärzten IPPNW ist die Verhütung eines Atomkrieges.

Mit dem Krieg in der Ukraine ist dies wieder hochaktuell geworden.

Der Krieg dauert inzwischen über zwei Jahre. Er fordert täglich neue Opfer, Tote, körperlich Verletzte und seelisch Traumatisierte. Städte und zivile Infrastruktur werden beschossen. Mit jedem Tag nimmt die Unversöhnlichkeit zu. Und mit jedem Tag wächst das Risiko, dass sich der Krieg auf andere Staaten ausweitet oder vielleicht bis zum Atomkrieg eskaliert. Deshalb muss der Krieg so schnell wie möglich beendet werden! Als IPPNW fordern wir: Mut zum Verhandeln!

Auch dies will ich klar sagen: Selbstverständlich ist der Angriff Russlands auf die Ukraine völkerrechtswidrig. Darüber hinaus sehen wir als IPPNW auch die Staaten der NATO in der Mitverantwortung für die seit den 90er Jahren zunehmenden Spannungen, Stichworte sind die NATO-Osterweiterung und die Kündigung von Abrüstungs- und Kontrollverträgen.

Wir alle sind in der Pflicht, mitzuhelfen, diesen Krieg zu beenden!

Der russische Präsident hat wiederholt indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Im Herbst 2022 schätzte der US-Geheimdienst das Risiko eines russischen Atomschlags auf 50:50 für den Fall, dass die ukrainische Armee zur Krim vorstoßen würde. In diesem Jahr warnte Putin, dass die Gefahr eines Atomkriegs bestehen würde, wenn NATO-Länder Truppen zum Kampf in die Ukraine schicken. Bei einer atomaren Eskalation im Ukrainekrieg könnten NATO-Einrichtungen in Deutschland und hier stationierte US-Kernwaffen früh zu möglichen Zielen werden, so urteilten Mitte 2022 die vier führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute in ihrem gemeinsamen Friedensgutachten. So uteilten Mitte 2022 die vier führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute in ihrem gemeinsamen Friedensgutachten.

Dessen ungeachtet sollen nach einer bilateralen Erklärung von Deutschland und den USA ab 2026 US-Mittelstreckenraketen bei uns stationiert werden. Mit den geplanten Marschflugkörpern, Hyperschallwaffen und Raketen sollen erstmals seit dem Jahr 1991 wieder Waffen auf deutschem Boden stationiert werden, die Ziele weit in Russland treffen könnten. Raketen sind Magneten – sie machen Deutschland zu einem strategischen Angriffsziel.

Die Regierungsvereinbarung bringt uns auf einen Schlag zurück in die brandgefährliche Situation von 1983, als schon einmal zielgenaue Marschflugkörper in Deutschland stationiert wurden und Raketen, die innerhalb von 5-8 Minuten Moskau erreichen konnten. Bei solch kurzer Vorwarnzeit wäre es der russischen Abwehr kaum möglich,einen Angriff abzuwehren. Es geht hier vor allem um die Gefahr eines Enthauptungsschlages, mit dem die Führungsspitzen ausgeschaltet werden könnten, um den man sich in Moskau Sorgen macht. Damit entsteht erneut das aus dem Kalten Krieg bekannte Szenario eines europäischen Atomkrieges. Außerdem kann es aus Versehen zu einem Atomkrieg kommen, durch Fehlalarm, durch Unfall, durch technische Fehler oder Missverständnisse.

Auch diese Gefahr wird zunehmen, wenn – wie vereinbart – im Jahr 2026 US-Hyperschallwaffen vom Typ Dark Eagle in Deutschland stationiert werden. Ihre kurzen Flugzeiten und daraus resultierend ihre minimalen Vorwarnzeiten sind enorm destabilisierend.

Wenn wir der Opfer der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki gedenken, ist dies immer auch mit der Warnung und der Verpflichtung für uns verknüpft, dass sich solche Verbrechen und solches Grauen nicht wiederholen.

Lassen Sie uns noch einmal in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückkehren. Zwölf Jahre nach den Explosionen von Hiroshima und Nagasaki, im Jahr 1957, formulierte Carl Friedrich von Weizsäcker, Physiker, Philosoph und Friedensforscher, die wichtigste Paradoxie der atomaren Abschreckung so: „Die großen Bomben erfüllen ihren Zweck, den Frieden und die Freiheit zu schützen, nur, wenn sie nie fallen. Sie erfüllen diesen Zweck auch nicht, wenn jedermann weiß, dass sie nie fallen werden.  Eben deshalb besteht die Gefahr, dass sie eines Tages wirklich fallen werden.“

Und heute?

In Russland sind die führenden Politiker und Militärs ebenso wie ihre Kollegen in der NATO Anhänger der nuklearen Abschreckung. Derzeit gibt es unter russischen Experten eine Diskussion, dass Russlands warnende Hinweise auf eventuelle Einsatzmöglichkeit im Westen ignoriert oder lächerlich gemacht würden.

Wir alle kennen die verharmlosenden Hinweise, Putin würde nur „bluffen“. Deshalb wird diskutiert, wie man die “die rettende Angst“ zurück bringen könnte. Dies alles gehört zu der Paradoxie der nuklearen Abschreckung, wie von Weizsäcker sie 1957 gekennzeichnet hat: „Die großen Bomben“ erfüllen ihren Zweck nicht, „wenn jedermann weiß, dass sie nie fallen werden. Eben deshalb besteht die Gefahr, dass sie eines Tages wirklich fallen werden.“

Bereits am 2. März 2022, nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, wurde folgendes Szenario in einer US-Fachzeitschrift veröffentlicht: „Sowohl aus der EU als auch aus den Vereinigten Staaten kommen weiterhin frische Waffen und andere Hilfsgüter in die Ukraine und ermöglichen es den ukrainischen Streitkräften, weiter zu kämpfen.“ Der Krieg würde zu einem für beide Seiten schmerzhaften Patt führen. Und man könne „davon ausgehen, dass es für Putin keine Option ist, den Krieg mit der Ukraine zu verlieren“. Eine Entscheidung, taktische Atomwaffen einzusetzen, „scheint vielleicht nicht mehr völlig abwegig zu sein.”

Leider zeichnet sich ab, dass die Entwicklung eine entsprechende Richtung nehmen könnte. Die NATO-Staaten ihrerseits sind bereit, immer weiter gehende Schritte zu unternehmen und rote Linien zu überschreiten, die sie vorher selbst als risikoreich beschrieben haben. Die Erlaubnis der Bundesregierung, mit deutschen Waffen von der Ukraine aus Angriffe auf russisches Territorium durchzuführen, haben wir als IPPNW zum Anlass genommen, erneut unsere Forderung nach Waffenstillstand und anschließenden Friedensverhandlungen zu bekräftigen.

Die Ukraine hat Ende Mai Teile des russischen Frühwarnsystems gegen Atomangriffe attackiert; auf solche Angriffe behält sich Moskau nukleare Reaktionen vor. Der Einsatz von Atomwaffen ist nach der russischen Doktrin z.B. bei einer „Bedrohung der Existenz des Staates“ möglich.

Das Risiko steigt, wenn Russland in die Defensive gerät, so das schon zitierte gemeinsame Friedensgutachten der führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute. Gleichzeitig sehen wir, wie zunehmend Politiker*innen der Nato-Staaten gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten auf “Sieg” setzen. Der Sieg der einen Kriegspartei bedeutet allerdings die Niederlage der anderen Derzeit ist keine der Parteien bereit, eine Niederlage zu akzeptieren, vielmehr droht vor jeder Niederlage zunächst eine massive Eskalation. Statt auf „Sieg!“ zu setzen, muss alles für einen Verhandlungsfrieden getan werden! Als IPPNW sagen wir:

Ein Verhandlungsfrieden ist alternativlos!

Dr. Angelika Claußen, die Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW und auch Präsidentin der IPPNW Europa, hat Vorschläge unterbreitet, welche unmittelbaren Schritte aus friedenspoltiischer Sicht notwendig sind, um die aktuelle Eskalationsgefahr zu entschärfen:

1. Die IPPNW fordert die drei westlichen Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich auf, zusammen mit China auf Russland zuzugehen und gemeinsam den Verzicht auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen zu erklären. China hat in seiner Einsatzdoktrin das Verbot für den Ersteinsatz von Atomwaffen schon verankert, die vier anderen Atommächte jedoch nicht.
2. Die Verhinderung eines Atomkrieges und die Beendigung des Ukrainekriegs sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Sie haben Priorität!

Zum Schluss meine Bitte: Nehmen Sie teil an den Aktionen der Friedensbewegung!
1. September: Antikriegstag  – 3. Oktober: Bundesweite Friedensdemonstration in Berlin. Werden Sie selbst aktiv! Ich danke Ihnen, ich danke Euch für die Aufmerksamkeit!

Ralph Urban ist Mitglied im Vorstand der deutschen IPPNW. Er hielt diese Rede am 6. August 2024 anlässlich des Hiroshima-Tages in Kiel.