Auch wenn in Deutschland irgendwie die zivile Krisenprävention berücksichtigt werde, so sei sie noch weit davon entfernt ein bedeutender Bestandteil der „außenpolitischen Identität“ Deutschlands zu sein. Diese Äußerung des Direktors von Swisspeace Prof. Dr. Laurent Goetschel, blieb mir beim öffentlichen Fachgespräch der Bundestagsfraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ am 13. Juni 2016 am nachhaltigsten in Erinnerung. Thema der Veranstaltung im Paul-Löbe-Haus war „Aktionsplan zivile Krisenprävention: Stillstand oder Weiterentwicklung?“. Zu den ReferentInnen zählten Prof. Dr. Tobias Debiel, Institut für Entwicklung und Frieden, Canan Gündüz, Mediation Advisor bei EEAS Brüssel und der bereits erwähnte Prof. Dr. Laurent Goetschel. Im Anschluss gab es eine Diskussionsrunde, die von Dr. Martina Fischer von „Brot für Die Welt“ moderiert wurde.
Den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ hat die damalige rot-grüne Bundesregierung 2004 verabschiedet. Nun soll das Auswärtige Amt ein neues Dokument auf den Weg bringen. Das war einer der Gründe, warum Dr. Franziska Brantner, Vorsitzende des Unterausschusses “Zivile Krisenprävention” zu dem Gespräch eingeladen hat. Prof. Debiel hält eine Anpassung des Aktionsplans nach zwölf Jahren für sinnvoll. Er selbst hat an der Ausarbeitung des ersten Aktionsplans mitgewirkt und forderte nun eine gründliche Evaluierung, die Schwächen möglichst umfänglich hervorbringen solle. In seinem Kurzvortrag stellte Debiel fest, dass der aktuelle Aktionsplan die Konfliktstruktur der neunziger Jahre zur Grundlage habe und daher ein neues Dokument besser an die Konflikte dieser Tage angepasst sein sollte. Als einen weiteren wichtigen Punkt forderte er, vermehrt lokale Mediatoren als Mitgestalter in die Mediation einzubeziehen. Zudem solle nicht zwanghaft versucht werden, das westliche Demokratiemodell zu etablieren, weil es nicht immer vereinbar mit den örtlichen Begebenheiten sei.
Canan Gündüz sprach von einer Verbesserung der Operationalität, die sich über die Anwendung des Aktionsplans ergeben hat. Denn es würden auf europäischer Ebene mehrere Institutionen zusammenarbeiten und so ermöglichen, dass Botschaften vor Ort gemeinsam eine Konfliktanalyse ausarbeiten könnten. Allerdings sei dies teilweise noch immer schwierig und eine Konfliktanalyse beinhalte noch lange nicht die Lösung eines aufkommenden oder bereits bestehenden Konflikts.
Laurent Goetschel betonte als Vertreter aus der Schweiz insbesondere die gute Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Schweiz, die in besonderer Art und Weise von staatlichen Stellen mit in den Prozess integriert würden. Er geht davon aus, dass eine ähnlich enge Zusammenarbeit auch in Deutschland hilfreich sei. Darüber hinaus forderte er ein längerfristiges Engagement ziviler Akteure, damit ein höheres Maß an Vertrauen aufgebaut werden könne. Insgesamt sei mehr Mut zum Risiko im Bereich der zivilen Krisenprävention wünschenswert. Dazu gehöre auch die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit mit ortsansässigen zivilgesellschaftlichen Akteuren, auch wenn die Schnittmengen noch so gering seien
Marek Jessen studiert im 6. Semester an der Philipps-Universität in Marburg Politikwissenschaft und ist Praktikant in der Geschäftsstelle IPPNW in Berlin.