Mehr als drei Jahre nach dem Ausbruch von Covid-19 hat die Welt mit einer beeindruckenden Vielzahl von Herausforderungen zu kämpfen. Diese reichen von der voranschreitenden Klimakatastrophe und Umweltzerstörung bis hin zu bewaffneten Konflikten und den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Angesichts dieses komplexen Panoramas fand die englischsprachige „Global Health Conference“ von IPPNW und medico international statt. Unter dem Motto „Gesundheit für Alle in Zeiten multipler Krisen“ versammelten sich Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen und Medizinstudierende, um Antworten auf drängende Fragen zu finden und Wege zur Förderung der globalen Gesundheit inmitten dieser Herausforderungen zu erarbeiten.
Die Konferenz bot ein breites Spektrum an Perspektiven auf das Thema Globale Gesundheit in Krisenzeiten. Katja Mohnen (IPPNW und ehemaliges Vorstandsmitglied im Verein) stellte dem Publikum zu Beginn die Frage, was Sicherheit denn eigentlich subjektiv, für jeden einzelnen der Anwesenden, bedeute. „What do you need to feel secure?“ In diesem Zeichen stand die Konferenz, die neben Vorträgen und einer Podiumsdiskussion aus zwei Workshopblocks bestand.
Eine der zentralen Veranstaltungen der Konferenz war die Keynote Speech von Prof. Anne Roemer-Mahler von der University of Sussex, UK, mit dem Titel „After Covid – Global Health security in Africa“. In ihrer Rede erörterte sie die geopolitischen, technologischen und sozialen Ungleichheiten, die die Gesundheitssicherheit in der post-COVID-19-Ära prägen. In dem Vortrag zeichnete Roemer-Mahler eine Geschichte der Globalen Gesundheitssicherung in den USA und Afrika nach. Das dominante Verständnis von „health security“, so Roemer-Mahler, drohe bestehende Ungleichheiten zwischen Staaten, etwa beim Zugang zu Arzneimitteln, beizubehalten. Es sei meist die Gesundheit und die Sicherheit der Privilegierten und der Staaten des Globalen Nordens, welche hier gesichert würde. Auch aus diesem Grund, betonte Roemer-Mahler, verdienten die Anstrengungen auf dem afrikanischen Kontinent, im Rahmen des Africa Center for Disease Control unsere Aufmerksamkeit. Hier befänden sich eigene Strukturen und Produktionskapazitäten im Gesundheitssektor im Aufbau. Die jahrzehntelange Abhängigkeit vom globalen Norden könne so vielleicht gebrochen werden.
Einer der Workshops wurde von Prof. Anuj Kapilashrami von der University of Essex, UK, gehalten. Unter dem Titel „Health Securitisation in the Context of Migration and Displacement“ beleuchtete Kapilashrami, die auch Vorstandsmitglied der britischen IPPNW-Schwester Medact ist, den Komplex der sogenannten „Migrationskrise“. Im Workshop ging es um die Darstellung von Migranten und der „Migrationskrise“ in den Medien. Medien, so Kapilashrami, zeichneten Migrant*innen und Geflüchtete häufig entweder als Bösewichte, Opfer oder Held*innen. Dies wirke sich auf Migrationspolitiken aus. In Kleingruppen diskutierten die Teilnehmenden anschließend, wie wir stereotypen Zuschreibungen in unserem Alltag in der Klinik, dem Büro oder auf der Straße entgegenwirken und sie verändern können.
Dr. Remco van de Pas vom Centre for Planetary Health Policy in Berlin hinterfragte in seinem Workshop das in der Gesundheitswirtschaft vorherrschende Wachstumsparadigma. Dagegen stellte er Perspektiven, die unsere planetaren Grenzen anerkennen und einen gleichen Zugang aller zur Gesundheitsversorgung ins Zentrum stellen.
Neben diesen akademischen Perspektiven brachte die Konferenz auch praktische Einblicke von Ärzten und Ärztinnen, die aktiv an der Bewältigung der Pandemie und anderer Gesundheitskrisen beteiligt sind. Milli Schröder und Jonas Fiedler von der Poliklinik Veddel aus Hamburg, Deutschland, präsentierten ihre Arbeit im Rahmen der Poliklinik und betonten die Bedeutung von Community-Aktionen und Ownership gegen die biomedizinische Sicherheitspolitik in Pandemiezeiten.
Eine weitere medizinische Perspektive wurde von Dr. Elif Turan von der Ärztekammer Diyarbakir in der Türkei eingebracht. Ihr Vortrag „Health under Pressure“ beleuchtete die Interaktionen zwischen verschiedenen Krisen und berichtete von den Erfahrungen von Ärzt*innen und Praktizierenden in den kurdischen Gebieten der Türkei und den Repressionen, denen sie in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt sind. Besonders erwähnenswert ist, dass Elif Turan auch für die Human Rights Foundation der Türkei arbeitet und sich in dem Rahmen für die Versorgung und Rechte von Folteropfern einsetzt, was die weitreichende Bedeutung der Gesundheitsarbeit in Konfliktregionen verdeutlichte.
In Zeiten globaler Krisen betonten die Teilnehmer*innen der Konferenz die Bedeutung von Solidarität und gemeinsamem Handeln. Sie riefen dazu auf, die Schnittstellen von Gesundheit, Frieden und Gerechtigkeit zu nutzen, um positive Veränderungen voranzutreiben. Die Lehren aus der Corona-Pandemie wurden als wertvolle Ressource für die Gestaltung einer besseren Zukunft hervorgehoben.
Abschließen kann man festhalten, dass das Klima auf der Global Health Konferenz von IPPNW und medico international von einer inspirierenden Atmosphäre der Zusammenarbeit und des Austauschs geprägt war. Trotz der Herausforderungen, die die Weltgesundheit und Gesellschaften weltweit in diesen schwierigen Zeiten erleben, zeigte die Konferenz, dass gemeinsame Anstrengungen und Solidarität die Grundlage für die Lösung globaler Probleme bilden können. Die Konferenz zog eine vielfältige Gruppe von Teilnehmer*innen an, darunter Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kontinenten. Vertreter aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich, der Türkei, Nepal, Ghana, Sambia und Kenia und anderen Regionen nahmen teil. Diese internationale Vielfalt spiegelte sich nicht nur in den Hintergründen der Teilnehmer*innen, sondern auch in den verschiedenen Sprachen wider, die während der Veranstaltung gesprochen wurden. Der Geist des Austauschs und der Zusammenarbeit war allgegenwärtig. In den Diskussionen, Workshops und Präsentationen tauschten die Teilnehmer*innen nicht nur Wissen und Erfahrungen aus, sondern schufen auch eine Plattform für den Dialog über die drängenden Fragen der globalen Gesundheit und sozialen Gerechtigkeit. Die verschiedenen Perspektiven, die von den Teilnehmer*innen eingebracht wurden, ermöglichten es, ein umfassenderes Verständnis für die komplexen Herausforderungen zu entwickeln, denen die Weltgesundheit gegenübersteht.
Katharina Höffner studiert Politikwissenschaften an der FU Berlin und war Praktikantin in der Öffentlichkeitsarbeit bei der IPPNW.