Haltung oder Enthaltung – das ist hier die Frage

"Haltung oder Enthaltung?" Veranstaltung am 29. August 2018 in Berlin

“Haltung oder Enthaltung?” Veranstaltung am 29. August 2018 in Berlin

Haltung oder Enthaltung? Das war die Frage und der Titel einer Veranstaltung am 29. August 2018 in Berlin zu Deutschlands Profil im UN-Sicherheitsrat. Zum sechsten Mal wurde Deutschland bei der Generalversammlung ein zweijähriger Sitz im UN-Sicherheitsrat zugesichert, der im Januar 2019 beginnt. Insgesamt bekam die Bundesregierung 184 von insgesamt 190 Stimmen. Belgien, Südafrika, die Dominikanische Republik und Indonesien werden die verbleibenden nicht dauerhaften Plätze im Sicherheitsrat einnehmen.

Zu der Veranstaltung hatten die Deutsch-Atlantische-Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen eingeladen. Etwa 300 Menschen waren der Einladung gefolgt, die Haltung Deutschlands im Sicherheitsrat zu diskutieren. Der große Andrang zeigt, dass es ein Interesse gibt, das deutsche Profil im UN-Sicherheitsrat auch in Deutschland zu diskutieren. Botschafter Dr. Christoph Heusgen  war direkt aus New York angereist, wo er als ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen arbeitet. Davor war er langjähriger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der ihr bis zu seinem Wechsel 2017 zwölf Jahre lang als außenpolitischer Berater gedient hatte. Auf der Tagesordnung Deutschlands im Sicherheitsrat sollen die Themen Klimasicherheit, Frauen, Frieden und Sicherheit, Ertüchtigung von Frauen, Gesundheit und Sicherheit sowie Kleinwaffen stehen. Zudem forderte er, dass Europa im Sicherheitsrat mit einer Stimme sprechen solle. Dr. Heusgen äußerte sich auch zu der Libyen-Resolution 2011. Anders als wichtige westliche Partner, enthielt sich die schwarz-gelbe Bundesregierung damals im UN-Sicherheitsrat bei einer Resolution der Stimme, die Luftangriffe auf die Truppen von Muammar al Gaddafi ermöglichte. Diese Haltung sei damals scharf kritisiert,  später aber international gelobt worden. Man müsse sich im Klaren sein, dass solche Resolutionen einige Tage Bedenkzeit benötigten und nicht so einfach innerhalb eines Tages getroffen werden können, so die Kritik Dr. Heusgens an der übereilten Entscheidungsfindung der Vereinten Nationen. Deutschland mache sich zudem für eine Krisenverhütung stark, es müsse versucht werden, Konflikte bereits im Anfangsstadium zu verhindern. Dies sei jedoch aufgrund der Souveränität der einzelnen Länder oft nicht einfach. In seiner Rede forderte er zudem, Deutschland sich im UN-Sicherheitsrat verstärkt für den Multilateralismus einsetzen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion musste sich der Botschafter dann Fragen und Kritik von  Dr. Franziska Brantner (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Lisa Heemann (Generalsekretärin der DGVN) und Prof. Dr. Johannes Varwick (Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der ML-Universität) stellen. Werner Sonne, deutscher Journalist und Autor, fungierte als Moderator der Diskussion. Gleich zu Beginn warf Varwick dem Botschafter vor, dass eine Enthaltung der Stimme im Sicherheitsrat seitens Deutschlands bereits eine Positionierung und ein Statement sei. Sollte Deutschland sich in der internationalen Politik als ernstzunehmender Partner positionieren wollen, müsse die Bundesregierung eine klare und eindeutige Linie verfolgen und sich nicht hinter anderen Staaten verstecken.  Für ihn sei es nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung selbst keine militärische Gewalt im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien anwenden wolle, aber  Aufklärungstornados schicke. Seines Erachtens sollte der Fokus Deutschlands als auch der Vereinten Nationen auf Friedenssicherung gerichtet sein, denn nur durch Engagement erhalte man Respekt und Einfluss. In diesem Zusammenhang forderte Franziska Brantner, dass Deutschland  mehr Personal für die Konfliktprävention zur Verfügung stellen sollte, z.B. im Bereich Polizei und Justiz. Im Hinblick auf die Libyen-Resolution und die aktuelle katastrophale politische Lage in dem Land, sieht sie das Problem in einer fehlenden  Kriegs-Nachbearbeitungsphase. Diese sei, so Brantner, stark vernachlässigt worden und  der Grund weshalb der Konflikt in Syrien in den letzten Jahren so eskaliert sei.

In einem Punkt waren sich alle Parteien aber einig: Im Hinblick auf die Arbeit der Vereinten Nationen müsse definitiv mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Die Zivilgesellschaft bekomme nur wenig von dem mit, was dort hinter verschlossenen Türen  verhandelt werde.

Anschließend gab es noch die Gelegenheit aus dem Publikum Fragen an die Expert*innen zu stellen.  Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, erkundigte sich, weshalb Deutschland den UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen bis heute nicht unterzeichnet habe. Dr. Heusgen verteidigte Deutschlands Entscheidung mit den Worten, Atomwaffen seien wichtig für Deutschland zur Verteidigung und nuklearen Abschreckung. Auch an der Ostgrenze zur EU seien Atomwaffen stationiert. Mit so einer direkten Antwort hatte ich nicht gerechnet. Vor allem in Bezug auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist es bedenklich, dass gerade die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrat (P-5) jene Staaten sind, die sich auch im Besitz von Atomwaffen befinden. Hier verteidigte Heusgen nun die Politik der P-5, obwohl er sich zuvor von deren Politik deutlich abgegrenzt hatte. So scheint es, dass wenn Dr. Heusgen von „engerem Zusammenhalt“ unter den EU-Ländern im Rat redet, er wohl nur Themen meint, die im politischen Interesse Deutschlands liegen.

Edwina Al-Khalil ist Politikstudentin an der Universität Wien.

Ein Gedanke zu „Haltung oder Enthaltung – das ist hier die Frage

  1. Mich wundert diese Haltung nicht. Wir sollten uns keine Illusionen machen: In Sonntagsreden lassen sich schöne Worte zu ziviler Konfliktlösung, zivile Friedenssicherung und Konfliktverhütung finden, aber diese Bundesregierung ist knallhart auf Machtpolitik aus, um entsprechende Märkte zu sichern, Das geht nur mit knallharter Militärpolitik: konventionelle und atomare Aufrüstung, zunehmende Militärinterventionen, Abschreckungsdoktrin, Blockdenken, Produktion von Feindbildern. Nur so kann man eine vorwiegend pazifistisch gesinnte Bevölkerung für seine aggressive Militärpolitik hinter sich kriegen. Hier muss die Friedensbewegung sehr sehr langen Atem beweisen und auch konsequente Durchhaltekraft. Erfolge werden erst sich sehr sehjr langsam einstellen, die deutsche politische Machtelite hat sich längst abgeschottet. Elu

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