Diplomatische Blockaden beenden – Kriegsparteien an einen Tisch

Dr. med Jens Wagner (IPPNW)

Jens Wagner für den Arbeitskreis Süd-Nord der der IPPNW

Mit den Verhandlungen „Genf II“ seit dem 22.01.14, erscheint mit der neuen internationalen Syrien-Friedens­konferenz nach fast 3 Jahren Gewalt und Zerstörung erstmals ein Hoffnungsschimmer auf ein Ende des Krieges am Horizont.

Soll mit diesen Verhandlungen jedoch ein Friedensprozess in Gang gesetzt werden, ist nicht nur die Teilnahme aller wichtigen Kontrahenten einschließlich des Iran ein entscheidender Faktor, sondern außerdem die nachvollziehbare Bereitschaft zum Dialog von allen Seiten. Dass der Konflikt vor allem durch Waffenlieferungen und militärische Unterstützung von außen geschürt wird, dürfte inzwischen kaum noch jemand bestreiten.

Die IPPNW hat 2012 bereits mit einem Syrien-Aufruf, der weiterhin unterschrieben werden kann, auf die geopolitische Dimension des Konflikts hingewiesen:
http://www.ippnw.de/aktiv-werden/kampagnen/syrien-aufruf.html

Die USA, Saudi-Arabien und die EU-Staaten jedoch lassen bisher keinerlei Schritte erkennen, die diplomatische Blockade zu beenden oder auch nur auszusetzen. Im Gegenteil: Der Iran wurde auf Druck der USA ausgeladen, die Sanktionen sind weiterhin in Kraft, Deutschland hält an seiner Ausweisung der syrischen Botschafter seit 5.6.2012 auf unbefristete Dauer fest und John Kerry hat mit seiner Ablehnung einer Rolle des Präsidenten Assad in einem zukünftigen Syrien eine fast unüberwindbare Hürde eingezogen. Speziell Deutschland ist nicht nur mit handfesten militärischen Maßnahmen in die Unterstützung der bewaffneten Opposition involviert (u.a. mit der Stationierung von Hightech-Raketen in der Türkei und Marineoperationen im Mittelmeer), sondern auch mit diplomatischer und logistischer Organisierung des “Regime Change”, z.B. mit der in Berlin organisierten “The Day After”-Konferenz derjenigen Exilkräfte, die der Westen als Ablösung der Assad-Regierung wünscht. Gewaltfreie, inner-syrische Oppositionelle wurden dorthin allerdings ebenso wenig eingeladen wie jetzt zur Genf-II-Konferenz.

Die syrische Regierung hat ihre Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung mit der Abschaffung der Chemiewaffen erkennbar gemacht, obwohl inzwischen mit Recht bezweifelt werden darf, dass der Giftgaseinsatz vom 21.8.2013 von syrischen Regierungstruppen verübt wurde, wie es unter anderem durch Untersuchungen eines ehemaligen UN Waffeninspektors und vom Massachusetts Institute of Technology gezeigt werden konnte: https://www.documentcloud.org/documents/1006045-possible-implications-of-bad-intelligence.html

Außerdem muss man annehmen, dass die militärische Opposition in Syrien aktuell menschenrechtlich nicht wirklich besser dasteht, als die Regierung selbst: http://www.hrw.org/news/2013/10/10/syria-executions-hostage-taking-rebels

Und eine (sicher nicht vollständige) Liste syrischer Rebellenführer zeigt ebenfalls wenig erkennbare demokratische Qualitäten: http://www.joshualandis.com/blog/biggest-powerful-militia-leaders-syria/

Sollten Friedensverhandlungen durch Außenvorlassung wichtiger Konfliktteilnehmer oder an uneinhaltbaren Forderungen des Westens scheitern, ist ein weiterer Zerfall Syriens abzusehen, mit einem ähnlichen Schicksal wie im Irak oder in Libyen. Die katastrophalen Auswirkungen des Krieges auf die Gesundheit der Menschen im Irak und Syrien ist jüngst in einer Studie im Lancet unter die Lupe genommen worden und zeigt abermals, wohin der militärische Weg führt. http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(13)62299-0/fulltext

Fazit: Die EU und Deutschland sollte sich in den Verhandlungen als maßgebliche Kraft für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Syrien einsetzen und insbesondere die Ausgrenzung des Iran beenden. Auch die Bundestagsabgeordneten sollten sowohl mit Oppositionsgruppen sprechen, als auch mit syrischen Abgeordneten. Der Vorstand der deutschen IPPNW hat dazu folgenden aktuellen Appell an die internationale Gemeinschaft und die deutsche Politik gerichtet: http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Syrien_appell_ippnw_20_01_2014.pdf

Jens Wagner für den Arbeitskreis Süd-Nord, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) – deutsche Sektion (28.01.2014)