Warum Fukushima uns alle angeht – auch nach 13 Jahren

Foto: Susanna Loof / IAEA

Blick über das AKW Fukushima-Daiichi mit Wassertanks. Foto: Susanna Loof / IAEA / 2015

Am 11. März 2024 jährte sich die Atomkatastrophe in Fukushima/Japan zum 13. Mal. 2 ½ Minuten dauerte damals ein Seebeben vor der japanischen Küste, was eine riesige Tsunami-Welle auslöste, die etwa 500 Quadratkilometer der japanischen Ostküste überflutete. Betroffen war dadurch auch das aus 6 Blöcken bestehende Atomkraftwerk Fukushima. In den drei Tagen danach kam es in dreien dieser Blöcke zu einer Kernschmelze, was große Teile der Region radioaktiv verseucht hat und wodurch über 150.000 Menschen evakuiert werden mussten. Durch die Evakuierung starben allein vermutlich durch Stress über 1000, meist ältere Menschen.

Das ist jetzt 13 Jahre her, aber die Folgen dieser Katastrophe sind noch lange nicht vorbei: Seit August letzten Jahres wird radioaktives Kühlwasser über eine 1 Kilometer lange Röhre in den Pazifik eingeleitet. In der Vergangenheit haben sich davon bisher 1,3 Millionen Tonnen angesammelt und man rechnet gegenwärtig damit, dass die Einleitung dieser Riesenmengen radioaktiven Wassers eine Zeit von etwa 30 Jahren beanspruchen wird. Zu Beginn dieser angeblichen „Entsorgung“ zitierte der Spiegel einen Physikprofessor aus Hannover, der gesagt hatte, man könne dieses zuvor von radioaktiven Substanzen gereinigte Wasser „problemlos trinken“. Das stimmt aber nicht, denn dieses Wasser enthält noch relevante Mengen von radioaktivem Tritium. Das hat zwar eine sehr geringe Strahlenreichweite, wird aber gefährlich für Menschen und alle Lebewesen, wenn es in den Körper aufgenommen wird, weil es dort auf zellulärer Ebene alle Organe schädigen kann, u. a. auch bedingt durch seine Halbwertszeit von 550 Tagen.

Und wie eine Erinnerung war es, als es in diesem Jahr am Neujahrstag auf der japanischen Halbinsel Noto erneut ein Erdbeben gegeben hat in der Nähe eines Atomkraftwerkes. Das AKW Shika war aber Gott sei Dank gerade abgeschaltet, aber noch ein Jahr zuvor hatte die japanische Atomaufsicht bestätigt, dass sich unter diesem AKW keinerlei geologische Verwerfungen befinden würden.

Man könnte jetzt fragen, was das nun alles mit uns zu tun hat, wo doch Fukushima über 10.000 km von uns entfernt ist?

Auch in Deutschland werden wegen der Bedrohungen durch die Klimakrise wieder Stimmen laut, die die Nutzung der Atomenergie wieder salonfähig machen wollen. Besonders tun sich dabei CDU, FDP und AFD hervor. Abgesehen davon, dass Atomenergie nie und nimmer das Klima retten kann, müssen besonders wir Ärzte und Ärztinnen immer wieder darauf hinweisen, dass die Risiken dieser Energienutzung überhaupt nicht kalkulierbar sind und schon gar nicht zu verantworten. Das betrifft insbesondere die Kinderheilkunde, weil der kindliche Organismus besonders strahlensensibel ist. So sind auch 13 Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima die Schilddrüsenkrebserkrankungen bei Personen unter 25 Jahre um das 20-fache höher als erwartet.

Ein weiterer Grund, warum Atomkraft – selbst, wenn sie tausende Kilometer entfernt genutzt wird – eine Bedrohung für alle ist, ist dass es keine sogenannte „friedliche“ Nutzung der Atomenergie gibt. Zwischen dem Betrieb von Atomkraftwerken und atomarer Aufrüstung existieren jede Menge Verflechtungen. Oder anders gesagt: Atomkraftwerke subventionieren den Bau von Atombomben – die unsere gesamte Welt bedrohen.

Ich möchte schließen mit Zeilen aus der „Rede“ für den Frieden von Berthold Brecht, die er 1952 verfasst hat. Es ist eigentlich ein Text gegen den Krieg, was also auch gut zur gegenwärtigen Weltlage passt, aber auch hier und heute alle daran erinnern soll, unter keinen Umständen wieder die Atomenergie-Nutzung aus der Mottenkiste zu holen, in Deutschland nicht und nirgendwo auf der Welt:

Das Gedächtnis der Menschheit
für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz.
Ihre Vorstellungsgabe für kommende
Leiden ist fast noch geringer.

Diese Abgestumpftheit ist es,
die wir zu bekämpfen haben,
ihr äußerster Grad ist der Tod.
Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote,
wie Leute, die schon hinter sich haben,
was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde:

Dont nuke the Climate! Atomenergie ist nicht sicher! Sicher ist nur das Risiko!

Abwandlung der Rede beim „Bündnis Atomtransporte Hamburg“ am 9. März 2024 anlässlich des Fukushima-Jahrestages 2024.

Christoph Dembowski ist Kinderarzt und Mitglied im Vorstand der deutschen Sektion der IPPNW.

Ein Gedanke zu „Warum Fukushima uns alle angeht – auch nach 13 Jahren

  1. Ja, sagt es 1000 und 1000 mal…In diesen Tagen scheint auch alles an rationalen Erkenntnissen und Handlungsmöglichkeiten über Bord geworfen zu werden bzw in Vergessenheit zu geraten. Ich habe den Eindruck, wir müssen wieder ganz von Neuem anfangen, die Wahrheit zu lehren.Ich hole meine Bücher und Zeitschriften aus den 80iger Jahren wieder hervor und merke, wie aktuell die damaligen Erkenntnisse immer noch sind. Danke für die Erinnerung. Wir dürfen einfach nicht nachlassen, auch wenn unsere Kräfte, Geduld und Energie bzw unsere Zuversicht immer mehr schwindet. Elu

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