Frauen, Frieden und ein bereicherndes Wochenende

IPPNW Peace Academy 2022Jetzt sitzen wir drei Bochumerinnen hier in einem Café in Moabit, weil uns noch ein bisschen Zeit bleibt, bis der Zug nach Hause abfährt. Wir alle sind erstmal ganz still, jede in ihre Gedanken vertieft. Kein Wunder, nach diesem Wochenende am Wannsee, an dem uns die Köpfe rauchten vor lauter Input, Diskussion und neuem Wissen. Dann kommen wir doch nochmal ins Sprechen, tauschen uns aus und es ist, wie die Moderatorin der Peace Academy, Birgit Allerstorfer, in der Schlussrunde des Wochenendes vorhergesehen hat: All das, mit dem wir uns beschäftigt haben, beginnt jetzt in unseren Köpfen zu arbeiten und wird uns noch in den nächsten Tagen – und hoffentlich noch sehr lange beschäftigen.

Aber erstmal zum Anfang. Am Freitag um 18:00 war der Startschuss für das Programm angesetzt. Wir Bochumer Teilnehmerinnen trudelten mit etwas Verspätung ein, mitten in die Vorstellungsrunde, in der die rund 30 Teilnehmer*innen ihre Wünsche und Erwartungen an das Wochenende teilten. Nach einem einführenden Input zum Thema Frauen und Frieden von Jennifer Menninger (Geschäftsführerin der women’s international league for peace and freedom, WILPF) saßen wir alle zusammen in der „WunderBar“ des Clara-Sahlberg-Tagungshauses und schnell wurde klar: Das könnte ein bereicherndes Wochenende werden, mit vielen offenen und diskussionsfreudigen Menschen.

Drei spannende Vorträge von beeindruckenden Frauen eröffneten den Samstag: Welche Bedeutung die „Eva“ von Chaim Sutin auf den T-Shirt protestierender Belaruss*innen hat, in welchen Phasen sich der Protest in Belarus 2020 entwickelte, aber vor allem, warum das Gesicht der Revolution weiblich ist, erzählte uns Olga Shparaga, Professorin am European College of Liberal Arts in Belarus (ECLAB). Edwick Madzimure, per Zoom zugeschaltet aus Zimbabwe, berichtete uns von ihrer Arbeit für die WILPF. Sie beschrieb, wie sie und ihre Kolleg*innen Frauen helfen, sichere Arbeit zu finden, vor allem aber auch die Unabhängigkeit der Frauen zu fördern, indem diese Bildung und Hilfe rund um Themen wie häusliche Gewalt erhalten. Zuletzt ging es um Frauen in Afghanistan, und wie sie auf ganz eigene Weise ihren Protest gegen die Taliban organisieren. Paniz Musawi Natanzi, Politikwissenschaftlerin und Geschlechterforscherin, führte uns ein und diskutierte mit uns, wie Untergrundorganisationen auch von Deutschland aus unterstützt werden können.

Was diese Frauen – und sicherlich viele weitere Menschen, die sich engagieren und die für ihre Ziele und für eine gerechtere Welt kämpfen, vereint? Ganz sicher Mut und Durchsetzungsvermögen. Da wir das Wochenende ja nicht nur mit mehr Wissen, sondern auch gestärkt und mit Handlungskompetenz verlassen sollten, trainierten wir am Samstagnachmittag Argumentationsstrategien oder übten uns in gewaltfreier Kommunikation. Schon am Abend gab es Gelegenheit, unsere erworbenen Skills anzuwenden: In einer sogenannten „Fishbowl“ diskutierten Merle Spellerberg von den Grünen, Dan Krause (ehemaliger Bundeswehrsoldat, forscht zu internationalen Beziehungen und Außenpolitik und studierte unter anderem am Institut für Friedensforschung in Hamburg) und Dr. Angelika Claussen über ihre Positionen zur feministischen Außenpolitik. Ein Stuhl in der Runde blieb frei, aber nicht für lange: Jede*r von uns konnte in den Kreis der Expert*innen rotieren, Fragen stellen, mitdiskutieren. Die Zeit reichte nicht annähernd, um alles zu sagen, was es zu sagen gab, die Diskussion blieb kurzweilig, Beispiele der aktuellen internationalen Politik – auch aus den am Morgen gehörten Vorträgen – flossen ein und nahmen durch die Beleuchtung aus unterschiedlichen Perspektiven konkrete Form an. Auch einige Stunden später in der besagten „WunderBar“ fand das Gespräch kein Ende.

Der Sonntag stand noch mal ganz unter dem Motto „aktiv werden“: Im Workshop mit David Scheuing und Ralf Buchterkirchen von der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) hörten und besprachen wir, wie Friedensarbeit ganz konkret aussehen kann und wie intersektionale Perspektiven nicht nur einfließen, sondern Grundstein der Friedensarbeit sein können.

Das imaginäre Wollknäuel, dass wir am Ende durch den Raum warfen, um all unsere Gedanken noch einmal zu sammeln und zu verknüpfen, zeigt: So vielfältig die Themen dieses Wochenendes waren, so sehr hängt alles zusammen: Feminismus und Gerechtigkeit werden gebraucht, um Frieden zu stiften, Kommunikation ist die Basis, um Konflikte zu lösen und Ziele wie nukleare Abrüstung zu erreichen, Abrüstung wiederum ist nötig für eine gerechte und friedliche Welt.

Dank Laura Wunder, dem Orga-Team und der guten, pandemiegerechten Organisation konnten wir live und in Farbe anwesend sein. Das ermöglichte besonders lebendige Diskussionen und vor allem auch den informellen Austausch neben dem Hauptprogramm. In der Schlussrunde waren sich alle Anwesenden vor allem darüber einig: Wie wertvoll dieses Wochenende in Präsenz für uns alle war, nachdem so etwas lange nur auf Zoom möglich war. So viele Menschen kennenzulernen, die sich engagieren wollen und das bereits tun, die Ideen haben und die weiter gehen wollen in Richtung einer friedlichen, feministischen und gerechten Zukunft – das inspiriert und gibt Kraft, um am Ball zu bleiben und Energie zu sammeln für Friedensarbeit und Engagement! Besser, als es schon der Titel der IPPNW-Peace Academy 2022 verriet, kann es nicht zusammengefasst werden: No Women, no Peace!

Clara Blumenroth ist Studierendensprecherin der deutschen IPPNW.

Ein Gedanke zu „Frauen, Frieden und ein bereicherndes Wochenende

  1. Mich würde besonders interessieren, wie man Untergrundorganisationen in Afghanistan unterstützen ksann ohne sie zu gefährden. Elu

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