Proteste in Japan gegen Militarisierungs-Kurs

Ebenso wie in Deutschland ist auch in Japan eine Militarisierung der Außenpolitik zu beobachten. Der überwiegende Teil der Bevölkerung steht diesem Kurswechsel skeptisch gegenüber. Ende August protestierten daher in Tokio und an rund 200 anderen Orten zehntausende Japanerinnen und Japaner gegen die neuen „Sicherheitsgesetze“, die die Beteiligung Japans an multinationalen Kriegseinsätzen vorsehen.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich von den USA vorgezeichnete japanische Verfassung von 1946 verbietet in Artikel 9 kriegerische Aktivitäten sowie den Unterhalt von Streitkräften. In Artikel 9 heißt es, das japanische Volk verzichte für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, würden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten.

Während der Besatzungszeit wurde der Artikel dem Wortlaut entsprechend zunächst als strenge Einschränkung bzw. als Verbot jeglicher Streitkräfte gewertet. Doch noch vor 1952 verlangten die USA bereits wieder einen Beitrag Japans zur eigenen Verteidigung. Besonders ab Beginn des Koreakrieges verfolgte die US-Regierung einen Kurs der allmählichen Wiederbewaffnung Japans.

Infolge dessen wurden „Selbstverteidigungsstreitkräfte“ aufgebaut. Diese Streitkräfte waren formal gesehen bisher noch nie in direkte Kampfhandlungen verwickelt, nahmen allerdings an „friedenserhaltenden Einsätzen“ teil. Nach dem Etat handelt es sich heute immerhin um die sechstgrößte Streitmacht der Welt.

Nach dem 11. September 2001 unterstützte die japanische Regierung die Politik der USA und ihre Militäraktionen. Für den Afghanistan-Krieg stellte Japan 40 % des Flugbenzins zur Verfügung. Mit Beschluss vom 9. Dezember 2003 wurden trotz Kritik von 55 % der Bevölkerung japanische Soldaten in den Irak entsandt.

Auch das aktuelle Vorhaben, Japans Streitkräfte an multinationalen Auslandskampfeinsätzen zu beteiligen, erfolgt offenbar in enger Abstimmung mit den Vereinigten Staaten. „Die USA begrüßen das Vorhaben“, schreibt der Stern (16.07.2015). Die so genannte kollektive Selbstverteidigung sieht die Beteiligung Japans an multinationalen Kriegseinsätzen beispielsweise gemeinsam mit den USA auch dann vor, wenn Japan nicht selbst angegriffen wird. Das neue Gesetz wäre eine “Neuinterpretation” des Artikels 9 der Verfassung und die Wirkung einer Verfassungsänderung vergleichbar.

Als potenzieller Kriegsschauplatz wird immer wieder eine Inselgruppe im südchinesischen Meer zwischen China, Taiwan und Japan genannt. Alle drei Staaten beanspruchen die Inseln, die von China als Diaoyu-Inseln und von Japan Senkaku-Inseln bezeichnet werden, als Teil ihres Staatsgebietes. Rund um die acht, heute unbewohnten Inseln wurde Erdöl- und Erdgas entdeckt. Sie werden regelmäßig von Patrouillenbooten und Kriegsschiffen aufgesucht und es werden Patrouillenflüge zur Kontrolle der Inseln unternommen. Die USA zeigte 2012 sogar mit einem Flugzeugträger Präsenz in der Region.

70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki sind viele Japanerinnen und Japaner weiterhin pazifistisch eingestellt und wehren sich gegen die neuen Sicherheitsgesetze. Sie befürchten, in internationale Konflikte hineingezogen zu werden.

Wie aus einer vor wenigen Tagen vom Sender NHK (öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Japans) veröffentlichten Umfrage hervorgeht, lehnen 61 % die neuen Gesetze ab. Eine große Mehrheit von Verfassungsexperten ist zudem der Ansicht, dass die Gesetze die Verfassung verletzen, wie die zweitgrößte Tageszeitung Japans «Asahi Shimbun» berichtete.

Henrik Paulitz ist IPPNW-Referent für Energiepolitik.

Ein Gedanke zu „Proteste in Japan gegen Militarisierungs-Kurs

  1. Danke! wichtige Infos, die ich nicht mal in der jungen Welt las. Was sagen die BRICS-Staaten zu dieser aggressiven Veränderung in Japan?
    Beste Grüße
    Manfred.

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