Rückbesinnung auf Entspannungspolitik und Abrüstung

"Twisted Gun" vor der UN in New york. Foto: Flicksmores / CC BY-NC-ND 2.0

“Twisted Gun” vor der UN in New york. Foto: Flicksmores / CC BY-NC-ND 2.0

Beitrag zum Antikriegstag am 1. September

Anlässlich des 1. September, dem Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939 finden in Deutschland unter dem Motto „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ bundesweit Demonstrationen statt. Damit soll an die schrecklichen Folgen von Krieg, Gewalt und Faschismus erinnert werden. Natürlich auch ein Anlass, aktuell über die krisen- und kriegsträchtige Situation aufzuklären und zum Frieden aufzurufen.

In einer kurzen “Gemeinsamen Erklärung” vereinbarten am Rande des NATO-Gipfels Anfang Juli 2024 in New York die USA und die Bundesrepublik  die Stationierung amerikanischer Langstreckensysteme: Ab 2026 sollen nur in Deutschland Tomahawk-Marschflugkörper, SM-6-Raketen und neue Hyperschallwaffen  stationiert werden, die konventionell und – wenn gefordert – auch mit Atomsprengköpfen bewaffnet werden könnten. Mit über 2000 Km Reichweite könnten sie im Tiefflug in nur wenigen Minuten Zielobjekte in Russland erreichen und bekämpfen.

“Damit schließen wir eine Fähigkeitslücke im Bündnis und stärken die Abschreckung!”, so Verteidigungsminister Boris Pistorius. Historisch einmalig ist wohl seit Gründung der Bundesrepublik, dass ein Bundeskanzler allein eine solch weitreichende Entscheidung trifft, ohne  den Deutschen Bundestag einzubinden, ohne eine parlamentarische Debatte und einen kritischen Diskurs mit den Abgeordneten aller Fraktionen zu führen.

Beschlossen wurde das Rüstungsprojekt ohne ein  gleichzeitiges Verhandlungsangebot an Russland – wie beim NATO-Doppelbeschluss unter Helmut Schmidt. Ein dichtbesiedeltes Land wie die Bundesrepublik würde zur Zielscheibe russischer Atomraketen. Die Reaktionszeiten verkürzen sich und die Gefahr eines Atomkriegs in Europa würde sich dramatisch erhöhen. Mit der Vereinbarung über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 wurde eine offensive Rüstungsmaßnahme beschlossen, die einen weltweiten Rüstungswettlauf auslösen könnte.

An der Grenze zwischen den NATO-Staaten und Russland stehen sich hochgerüstete Streitkräfte von Heer, Luftwaffe und Marine gegenüber. Waffenarsenale aller Art – konventionell wie atomar bestückt – könnten im Verteidigungsfall in Europa eingesetzt werden. Die USA und Russland besitzen annähernd jeweils 6000 Atomwaffen, die als Gefechtsfeldwaffen mit niedriger Sprengkraft (ca. 0,3 KT), als taktische Atomwaffen mit bis zu 130 KT bis hin zu strategischen Interkontinentalraketen mit bis zu 3 MEGA-Tonnen einsetzbar wären. Insgesamt sind die 32 NATO-Staaten den russischen Streitkräften – außer bei Atomwaffen – in der Anzahl von Soldaten und konventioneller Waffensysteme zumindest zahlenmäßig überlegen. Dieser ungefähre Kräftevergleich dokumentiert, welches Zerstörungspotential eingesetzt werden könnte. Käme nur eine begrenzte Anzahl der Atomwaffen zum Einsatz, wären große Teile Europas  unbewohnbar und wahrscheinlich Millionen Menschenleben zu beklagen.

Deshalb wäre eine Rückkehr zu  einer Sicherheits- und Friedenspolitik notwendig, die sich auf Entspannung, Dialog und die Lösung von Konflikten rückbesinnt. Auch in Zeiten des Kalten Krieges galt die Prämisse, die Doppelstrategie des Harmel-Berichts der NATO von 1967 von „gesicherter Verteidigungsbereitschaft verbunden mit Diplomatie“ anzuwenden (UNO, Common Security, New York 1982)

In der aktuellen Lage wären Gesprächsangebote  über Rüstungskontrolle  wichtig, die als „Türöffner“ für Verhandlungen mit Russland dienen könnten – mit dem Ziel einer Revitalisierung des INF-Vertrags, der 2019 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump aufgekündigt wurde. Die Bereitschaft der NATO, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten, könnte die Ernsthaftigkeit der Verhandlungsbereitschaft unterstreichen.

Vom Bulletin of the Atomic Scientists wurde die „Weltuntergangsuhr“ auf 90 Sekunden vor 12 gestellt. Nur wenige hundert Atomraketen reichten aus, um die Menschheit in knapp 24 Stunden auszulöschen. Ein Alarmzeichen, das die Staatenwelt und die Zivilgesellschaft aufrütteln müsste!

Um die Gefahr eines Atomkriegs zu bannen, bedarf es Strategien, die auf Friedens- und Entspannungspolitik bauen. Der Palme-Bericht zur „Gemeinsamen Sicherheit“, der 1982 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde, ist in seinen Empfehlungen auch heute noch wegweisend.Er forderte damals während des Kalten Krieges die Rückkehr zu Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung, die auch aktuell  wieder auf die Agenda der internationalen Politik gehören. Sie könnten zur Stabilität und Kriegsverhinderung beitragen und den bedrohlichen Verlauf der „Weltuntergangsuhr“ vielleicht noch stoppen.

„Meine Hoffnung besteht darin, dass sich aus all dem eine neue Blockfreienbewegung ergeben wird, die nach der Zeit der vielen Völkerrechtsbrüche wieder am allgemeinen Recht der UNO arbeiten wird, dem Frieden und der Überlebensfähigkeit des ganzen Planeten zu dienen. … Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption“, so Antje Vollmer in ihrem politischen Vermächtnis.

Der Autor:
Rolf Bader, 86916 Kaufering, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte*innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)

Ein Gedanke zu „Rückbesinnung auf Entspannungspolitik und Abrüstung

Kommentare sind geschlossen.