
Ein von medico finanzierter Krankenwagen im Einsatz. (Foto: medico)
Wir sind entsetzt über die türkischen Artillerieeinsätze in Nordsyrien unmittelbar nach dem schrecklichen Erdbeben, das auch diese Region getroffen hat. Es wäre ein Gebot der Menschlichkeit, dass die Türkei wenigstens in dieser Situation den Krieg unterbricht und die Grenzübergänge nach Syrien für Hilfslieferungen öffnet.
Bereits vor dem Erdbeben stand ganz Nordsyrien, auch das Gebiet der Selbstverwaltung in Nordost-Syrien (Rojava) vor einer humanitären Katastrophe:
- 10 Jahre Krieg und Embargo und die seit 2 Jahren andauernden Kriegshandlungen der Türkei haben viel Infrastruktur zerstört (Krankenhäuser, Landwirtschaft, Strom- und Wasserversorgung…).
- Auch das Embargo der westlichen Länder gegen Syrien trifft weniger Assad, sondern die Zivilbevölkerung im ganzen Land.
- Nun strömen weitere Flüchtlinge aus den vom Erdbeben am schlimmsten betroffenen Gebieten (vor allem aus Afrin und Aleppo) nach Rojava, weil die dortige Verwaltung zumindest versucht, die Menschen zu versorgen. Es kommen keinerlei Hilfsgüter an, weil die Grenze zur Türkei und die Grenze zum Irak geschlossen ist, und auch Assad nicht bereit ist, mit der kurdischen Selbstverwaltung zu kooperieren.
- In Rojava müssen 50.000 Gefangene aus dem IS-Umfeld in Gefängnissen und Lagern versorgt werden. Wenn dies nicht mehr möglich ist, droht der Welt eine weitere Katastrophe.
Auch in der Türkei gibt es wenig Hilfe für die vom Erdbeben betroffenen Gebiete. Präsident Erdogan versucht zur Zeit jegliche Unterstützung unter staatliche Kontrolle zu bringen, was die Hilfe verzögert und die lokalen Hilfsorganisationen ausbremst, denn sie sind verpflichtet, bereits gesammelte Spendengelder an die staatlichen Institutionen abzugeben.
Seit Jahren verfolgen wir die Situation in den kurdischen Gebieten in der Türkei, im Irak und in Syrien und versuchen im Rahmen der IPPNW zivile Strukturen vor Ort zu unterstützen und mit der Kurdistan-Hilfe Hamburg und Medico International humanitäre Hilfe für die von Krieg und wirtschaftlicher Not betroffene Bevölkerung zu leisten. Wir haben in Nordost-Syrien („Rojava“, einem Gebiet so groß wie Niedersachsen) ein politisches System kennengelernt, das die Todesstrafe abgeschafft hat, das die gesamte Bevölkerung (ca. 5 Millionen, vornehmlich Kurden und Kurdinnen, aber auch Menschen arabischer, christlich-aramäischer, turkmenischer u.a. Volkszugehörigkeit) demokratisch in Entscheidungsprozesse einbezieht und Frauen eine gleichberechtigte Position ermöglicht. Ähnliche Ansätze gibt es auf lokaler Ebene auch schon lange in der Türkei, wo den Menschen, insbesondere Kurden und Kurdinnen, jedoch bei jeder öffentlichen Aktivität massive staatliche Repression droht.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie über die Forderung nach Öffnung der Grenzen zwischen Türkei und Syrien hinaus auch die Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Syrien veranlasst.
Und wir empfehlen den hiesigen Menschen, die für die Erdbebenopfer spenden wollen, das Geld möglichst an Organisationen zu geben, die in der Lage sind, unmittelbar diejenigen Menschen zu versorgen, für die von staatlicher Seite nichts getan wird. (Z.B. Kurdistanhilfe Hamburg und medico international.)
Spendenkonto Kurdistan Hilfe e.V. Hamburg. IBAN DE40 2005 0550 1049 2227 04, Stichwort Erdbebenhilfe
Spendenkonto medico international e.V. IBAN DE69 4306 0967 1018 8350 02
Maria C. Jarowoy und Dr. Gisela Penteker