Büchel ist in Deutschland der symbolische Ort für die ständige Bedrohung durch Atomwaffen. Er steht für die Gefahr eines Atomkrieges im Allgemeinen und im Speziellen für die bevorstehende atomare Aufrüstung durch einen neuen atomaren Waffentyp. Die B61-12, die hier stationiert werden soll, ist smarter, flexibler einsetzbar, Ziele selbst findend, taktisch und strategisch zugleich. Sie verfügt über ein Vielfaches des destruktiven Zerstörungspotentials einer Hiroshima-Bombe. Vom 10.-17. Juni 2017 veranstaltete die ärztliche Friedensorganisation IPPNW im Rahmen der 20-wöchigen Aktionspräsenz der Kampagne: „Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt“ eine Protestwoche vor dem Fliegerhorst.
Büchel steht aber nicht nur für die Bedrohung, sondern auch für den Widerstand gegen die atomare Hochrüstung, an der sich Deutschland mit seiner atomaren Teilhabe, eigenen Trägerflugzeugen und Piloten, die täglich dieses Inferno üben, beteiligt. Als IPPNW-Ärzteorganisation sind wir deshalb dort besonders gefordert.
Die IPPNW-Woche setzte sich an diesem Ort aus verschiedenen bunten Elementen mit Mahnung, Protest und Widerstand zusammen. „Time to Go – Ban Nuclear Weapons“, das von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) auf der Friedenswiese aufgestellte Motto, war das beherrschende Thema dieser Woche in Büchel. Es gab ein Aktionscamp mit Aktionstraining und eine Vorstandssitzung an diesem einzigartigen Ort. Bei einem Symposium „Atomwaffenverbot: Eine europäische Sicht“ kamen VertreterInnen aus den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Mexiko und Deutschland direkt am Haupteingang des militärischen Stützpunkts zusammen. Bei einer Blockadeaktion leisteten die IPPNW-ÄrztInnen und Studierende Zivilen Ungehorsams, um den notwendigen ärztlichen Widerstand zum Ausdruck zu bringen. Mit einem Flashmob auf dem militärischen Gelände und einem Friedensfest brachten wir zu Beginn der zweiten Runde der Verbotsverhandlungen in New York unsere Freude und Hoffnung auf einen entscheidenden Durchbruch zum Ausdruck.
Wir bepflanzten die Friedenswiese, um sie noch bunter zu machen und hielten täglich morgens ab 6 Uhr und abends bis 17 Uhr eine Mahnwache ab, um die etwa 2.000 ein- und ausfahrenden Beschäftigten im Atomwaffenstützpunkt auf das Unrecht aufmerksam zu machen, das von Atomwaffen ausgeht. An Informationstischen in Ulmen, Kaisersesch und Faid versuchten Vertreter unsrer Ärzteorganisation mit der regionalen Bevölkerung zu unserem Anliegen ins Gespräch zu kommen.
Bei einer Brückenaktion mit Transparenten und festlichem Empfang der Robin-Wood-Floßfahrt machten wir auf der Uferpromenade in Cochem auf die wöchentlich stattfindenden gefährlichen Atomtransporte durch das Moseltal aufmerksam. Cochem-Zell ist ein kleines nettes verträumtes Touristenstädtchen, in dem die ungeheuerlichen Gefahren des Atomzeitalters so leicht in Vergessenheit geraten können. Zum Abschluss veranstaltete unsere Ärzteorganisation eine Protestaktion mit beinahe 50 Personen, bei der der Proteststab symbolisch an das Freiburger Friedensforum weitergegeben wurde.
Mehrmals in dieser Woche war das Haupttor von uns selbst geschlossen, einmal auch aufgestoßen worden, um zu zeigen, dass dieser Ort nicht ein geheimnisvolles, nur dem Militär vorbehaltenes Gelände darstellt, sondern ein öffentlicher Platz ist, auf dem unser Protest und unser Widerstand gegen das ungeheuerliche Unrecht, das die Existenz von Atomwaffen darstellt, zum Ausdruck gebracht werden muss und Zäune und Absperrungen uns nicht hindern, dies auch zu tun.
Insgesamt haben über 100 Ärzte und Ärztinnen, darunter auch eine Reihe von Medizinstudenten, an diesen kreativen Aktionen teilgenommen. Diese Aktionen wurden zum Teil auch mit freundlicher und aufmunternder Zustimmung durch die vorbeifahrende Bevölkerung beantwortet. Das ist nicht selbstverständlich für einen Ort, an dem durch politisch Verantwortliche ständig die Angst geschürt wird, dass mit dem Abzug der Atomwaffen aus Büchel auch der Hauptarbeitgeber in dieser Region wegfallen würde.
Umso wichtiger ist es, dass wir als Ärzte und Ärztinnen, die gleichzeitig soziale Verantwortung tragen, öffentlich klarmachen, dass die zivilen Alternativen nachhaltiger und gesünder sind. Diese Alternativen können eher zur sozialen Stabilität innerhalb der Region beitragen, als Investitionen in das atomare Vernichtungspotential, zu dem allein an diesem Standort bis 2023 mehr als 151 Millionen Euro aufgewendet werden soll, wie diese Woche der lokale Bundestagsabgeordnete Peter Bleser in einem, in der Region weit verbreiteten Anzeigeblatt verkündete. Diese hohe Summe für die gefährliche atomare Aufrüstung in zivile Projekte zu stecken, würde die Region nachhaltig, sozial und ökonomisch stabilisieren und zu einer blühenden Urlaubs- und Erholungsgegend machen.
Mit unserem persönlichen Beispiel können wir der uns in diese Woche auch wieder begegneten weit verbreiteten, resignativen Haltung: „Wir können nichts machen. Die da oben machen sowieso was sie wollen“ ein gesundes Empowerment entgegensetzen. Wenn wir gemeinsam beharrlich Jahr für Jahr dranbleiben, wird das Lied, das wir in diesem Jahr so häufig vor dem Haupttor gesungen haben: „Das weiche Wasser bricht den Stein“ Wirklichkeit.
Alle, die sich an der IPPNW-Woche in Büchel beteiligt haben, waren sich beim Abschied einig: „Wir werden wiederkommen. Wir sehen uns im nächsten Jahr hier wieder.“ Oder wie ein Medizinstudent schrieb: „Für mich war das vergangene Wochenende eine tolle Erfahrung. Ich konnte sehr viele Eindrücke mitnehmen und habe wichtige Denkanstöße erhalten. Inzwischen kann ich auch nachvollziehen, was du uns eingangs gesagt hast: wenn man in Büchel ist und sich an Aktionen beteiligt, bekommt man das Gefühl etwas bewegen zu können“. Der Vorstand der IPPNW hat dazu einen auch für andere Organisationen nachahmenswerten Beschluss gefasst: „Wir werden jedes Jahr einmal solange unsere Vorstandssitzung bei diesem Atomwaffenstützpunkt abhalten, bis diese, die Menschheit vernichtenden Waffen vollständig abgezogen sind.“ Hoffentlich wird dieses Vorhaben von all den Organisationen, die im Trägerkreis der bundesweiten Kampagne: „Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt“) versammelt sind, aufgegriffen. Gehen wir als einzelnes IPPNW-Mitglied, als Regionalgruppe, als lokale Friedensinitiative oder als IPPNW-Arbeitskreis mit gutem Beispiel voran! Dann werden wir mit Sicherheit im nächsten Jahr die Zahl der Teilnehmer an der nächsten IPPNW-Büchel-Woche verdoppeln können.
Ernst-Ludwig Iskenius