Nicht länger Fremde…

Andrea Belancic, Medizinstudentin in Mostar

Andrea Belancic, Medizinstudentin in Mostar

Ich bin Studentin an der Medizinischen Fakultät von Mostar in Bosnien-Herzegowina. Ich war froh, dass ich zum IPPNW-Balkan-Treffen eingeladen wurde. Es war mein allererstes Balkan-Treffen, und ich wusste nicht wirklich, wie ich mich vorbereiten sollte und was mich erwarten würde. Wir kamen abends in Sarajevo an und wurden von unseren Gastgebern herzlich empfangen. Mir gefiel die Idee, mit einem Welcome-Dinner anzufangen. Das gab uns Gelegenheit, einander kennen zu lernen und uns damit anzufreunden, Ideen und Meinungen auszutauschen. Ich habe sogar festgestellt, dass es ziemlich ähnlich ist, in Mostar oder in Würzburg Medizin zu studieren. Dass wir gemeinsame Themen haben und auch, dass da vieles ist, was uns gleichermaßen betrifft.


Am nächsten Morgen stand das Thema „Physische und psychische Folgen des Krieges“ auf dem Programm. Ich war zutiefst bewegt. Zum einen von den Berichten und Schilderungen vom Krieg in Bosnien-Herzegowina von 1992 bis 1995, die uns vorgelesen wurden. Diese sinnlose Tragödie, die mein Land heimgesucht hat, ist etwas, was mir immer nahe geht, mir nicht gleichgültig bleibt, egal wie viele Male ich darüber gehört habe. Zum anderen nahm ich wahr, dass andere in der Runde, Fremde, genauso tief bewegt waren wie ich selbst. Sie nahmen sich die Zeit und widmeten sich mit Empathie solch schwierigen und belastenden Themen, um ihrerseits sicher zu stellen, dass Krieg niemandem und nirgendwo geschieht. Irgendwie nahm ich sie nicht länger als Fremde wahr, ich sah ihre Anteilnahme und auf einmal waren sie für mich Freunde, wahre Freunde, die um das Leben und das Schicksal anderer besorgt sind. Und diese Freunde aus Deutschland waren unterschiedlichsten Alters.

Am folgenden Tag kamen wir wieder zusammen um die Diskussionen abzuschließen und zu entscheiden, was wir künftig tun wollen. Das war sehr wichtig. Bedeutete es doch, dass das Treffen ein Ziel verfolgte und ein gewisses Maß an Fortsetzung und Ergebnis forderte. Ich war sehr zufrieden mit diesem Teil des Treffens.

Dieses Treffen hat mich vor neue Fragen gestellt und hat neue Möglichkeiten eröffnet. Darüber, was ich als Einzelne auf meinem Weg zur Ärztin und auch als Teil der IPPNW tun kann, um den Krieg und seine verheerenden Folgen zu bekämpfen. Ich danke allen, die wie auch immer ein solches Treffen ermöglicht haben.

Andrea Belancic

Redaktioneller Hinweis: Seit dem Jahr 1995 werden Medizinstudenten aus den verschiedenen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens im Rahmen des IPPNW-Programms „Bridges of Understanding“ nach Würzburg eingeladen, um dort eine einmonatige Famulatur in der Missionsärztlichen Klinik abzuleisten. Sie arbeiten in den verschiedenen Fachbereichen, wohnen gemeinsam im Haus St. Michael in der Nähe des Krankenhauses und werden von IPPNW-Medizinstudierenden betreut. Alljährlich findet zudem ein Netzwerk-Treffen auf dem Balkan statt. In diesem Jahr trafen sich die TeilnehmerInnen vom 15.-17. Mai 2015 in Sarajevo in Bosnien-Herzegowina. Ein Wochenende lang wurde diskutiert, es wurden Freundschaften gepflegt und Kontakte geknüpft. Eingeladen wurden die ehemaligen und zukünftigen Teilnehmer des Programms sowie die regionalen IPPNW-Mitglieder, ebenso deutsche Mitglieder der IPPNW und der Regionalgruppe Würzburg.