
Besuch bei der AKP in Diyarbakir, Foto: IPPNW
So hat Uri Avnery polarisierte Gesellschaften beschrieben. Unser Gespräch mit dem Vorsitzenden der AKP Diyarbakir, Suleiman Serdar Budak hatte absurde Züge, nicht nur für uns, die wir in der kurdischen Seifenblase sind.
Der Zwangsverwalter kandidiert als Oberbürgermeister und Herr Budak räumt ihm durchaus Chancen ein. Er habe in den zwei Jahren seiner Tätigkeit gute Arbeit geleistet und für Ruhe und Sicherheit in der Stadt gesorgt. Die HDP-Verwaltung habe den Terror logistisch unterstützt und musste deshalb abgelöst werden. Die Menschen in der Stadt hätten noch nie ein solches Ausmaß an Dienstleistungen nutzen können. Wenn sie gewählt würden, werde die Entwicklung der Infrastruktur und der Dienstleistungen weiter augebaut, wie er uns an einem Hochglanzprospekt zeigt. Trotz der Wirtschaftskrise habe Staatspräsident Erdogan eine hohe Sensibilität für die Region bewiesen. Er habe Gelder für den Silvan-Staudamm freigegeben für den Fall eines Sieges der AKP. Dadurch könnten viele Haushalte und Land sicher mit Wasser versorgt werden.
Unsere Frage, warum die kommunalen Frauenprojekte geschlossen worden seien, beantwortet er mit Unverständnis. Da seien wir einer Falschmeldung aufgesessen. Er wüsste kein einziges Frauenzentrum, dass geschlossen worden sei. Ganz im Gegenteil gebe es jetzt mehr sichere Orte für Frauen mit Unterstützung des Familienministeriums. Die Forderungen der Hungerstreikenden seien unberechtigt. Es gebe in türkischen Gefängnissen keine Isolationshaft. Und Apo (er sagt nicht Herr Öcalan) wolle selbst niemanden sehen und mit niemandem sprechen.
Die kurdische Frage sei nahezu gelöst, es brauche nur noch 1, 2 Schritte in Richtung Demokratie. Die PKK sei seit 40 Jahren eine terroristische bewaffnete Organisation. Die müsse selbst wissen, was sie wolle. Niemand aus der Regierung werde mit Terroristen reden. Mit anderen Kurden gäbe es natürlich Gespräche. Kurde ist nicht gleich PKK. Er selbst sei auch Kurde und spreche besser kurdisch als viele derer, die vorgeben, die kurdische Sache zu vertreten.
2016 habe es einen Putschversuch gegeben, bei dem 250 Menschen gestorben seien. Der Staat müsse sich verteidigen. Es musste einen Ausnahmezustand geben. Über die wenigen Schritte zur Demokratisierung äußert er sich nicht. Dafür sei er nicht zuständig. Aber nach seiner persönlichen Meinung seien sie auf einem guten Weg. An der Dicle Universität von Diyarbakir gebe es jetzt eine Abteilung für kurdische Sprache. Man könne die Sprache jetzt studieren.
Alle Länder hätten mehr oder weniger Probleme, die gelöst werden müssen. Die gesamte Entwicklung im Nahen Osten sei nicht gut. Für Ruhe in der Region müssten sich die Großmächte raushalten. Die wollten aber ihre Waffen los werden.
Ob Herr Budak selber glaubt, was er da sagt? Ob er denkt, dass wir das glauben? In welcher Realität lebt er in dieser Stadt? Jeder ist in seiner Seifenblase gefangen, wir auch. Frieden kann es nur geben, wenn die Blasen platzen und die Narrative sich annähern.
Dr. Gisela Penteker ist IPPNW-Mitglied und Türkei-Beauftragte der IPPNW. Sie ist Teilnehmerin einer Reise von IPPNW-Ärzt*innen und Friedensaktivist*innen in die Türkei.