Ärztliche Friedensarbeit auf steinigen Wegen

Treffen "IPPNW-RegioContac Nord" 2024

Das Treffen “IPPNW-RegioContac Nord” am 20. Januar 2024 in Güstrow mit über 30 Kolleg*innen.

Die IPPNW-Regionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern

Unsere noch kleine Regionalgruppe existiert erst seit einem Jahr. Wir sind zur Zeit fünf Kolleginnen und Kollegen, die sich regelmäßig im kleinen Ort Bützow (zwischen Schwerin und Rostock) in Präsenz treffen. Bei Online-Treffen würde neben der aufwändigeren Technik die soziale und kommunikative Komponente fehlen.

Wie sind wir zusammengekommen? Es gab in den letzten Jahren schon mehrere Versuche, die wenigen aktiven IPPNW-Mitglieder in diesem Bundesland zusammenzubringen. Den Anstoß, friedenspolitisch aktiv zu werden, gaben dann schließlich der Ukrainekrieg und die damit erhöhte Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes. In einem Flächenstaat, wo die Friedensbewegung selbst nur ein Nischendasein führt, betragen die Entfernungen zwischen einzelnen aktiven Mitgliedern manchmal bis zu 100 km.

So leben wir fünf auch alle im westlichen Teil Mecklenburgs, arbeiten entweder im Krankenhaus oder in eigener Praxis oder sind im aktiven Rentenalter. Wir haben sehr unterschiedliche Biographien und politische Sozialisationen, was unsere Zusammenkunft spannend und interessant macht. Es gibt aber kaum IPPNW-Traditionen, an die wir hätten anknüpfen können. Die wichtigste ist noch das Engagement von IPPNW-Studierenden für den Aufbau und die Aufrechterhaltung des Medinetzes in Rostock. Erstaunlich für eine studentische Initiative ist, dass sie seit vielen Jahren weiterbesteht. Einige, die dort als Studierende einmal angefangen haben, sind nun mit dem Aufbau eines psycho-sozialen Zentrums für traumatisierte Geflüchtete voll beansprucht und halten sich mit direkt friedenspolitischen Themen zurück.

Auch wir sind zum Teil über 100 km voneinander entfernt. So war das erste Hindernis, einen günstigen Ort zum Treffen zu finden, der für alle neben Beruf und Familie zu erreichen war. Bützow erschien uns als die günstigste Variante, zumal es dort einen Bahnhof gibt, der die weiter entfernt wohnenden Kollegen und Kolleginnen relativ schnell zum Treffpunkt bringen konnte. Die nächste Hürde war es, dort einen günstigen Raum zu finden, wo wir in Ruhe planen und diskutieren können. Mehrere Gaststätten und Restaurants hatten wir ausprobiert, bis wir nun auf ein kleines, feines Café im alternativen Stil gefunden haben, das uns seine Tür nach Feierabend ausnahmsweise öffnet.

Zunächst beschäftigten wir uns damit, die Gruppe öffentlich bekannt zu machen. Zur Kommunikation zwischen den Treffen richteten wir eine E-Mail-Liste ein, wo auch einzelne Interessierte außerhalb der Gruppe mitlesen können.
Die Themenvielfalt, mit der wir uns näher beschäftigen wollten, war überwältigend, Atomwaffen und die zunehmende Militarisierung unserer Gesellschaft waren dann unsere inhaltlichen Klammern.

Im November finden in Mecklenburg-Vorpommern schon seit über 20 Jahren die „Weltwechselwochen“ mit fast 80 Veranstaltungen im ganzen Bundesland statt. Für uns bestand die Chance, in diesem Rahmen eigene Veranstaltungen zu unseren Themen einzubringen, sie organisier- und finanzierbar zu machen. Mit Lars Polmeier („Ukrainekrieg und Gefahr eines Atomkrieges“) und Angelika Claußen („Klima und Militär“) hatten wir auch zwei großartige Referent*innen, mit denen wir vier Abendveranstaltungen und zwei Schulveranstaltungen in Rostock und Schwerin organisieren konnten. Die Beteiligung hielt sich bei den Abendveranstaltungen in Grenzen, während bei den Schulveranstaltungen lebhaft diskutiert wurde. Für den Anfang waren wir zufrieden, denn wir sind bekannter geworden und als Partner im Landesnetzwerk „Eine Welt“ angekommen.
Um an den verschiedenen Orten trotzdem wirksam werden zu können, überlegten wir eine sehr niedrigschwellige und kommunal orientierte Aktivität, um das Atomwaffenthema überhaupt wieder in den öffentlichen Blick zu bringen. Mit der Wahl einer Oberbürgermeisterin von der Linkspartei und einer grün-rot-roten Mehrheit in der Bürgerschaft erschien uns die politische Situation in Rostock günstig, um ein erstes Zeichen zu setzen: Wir übergaben Bürgermeisterin Kröger als „politisches Geschenk mit Verpflichtung“ die Fahne der „Bürgermeister für den Frieden“, um sie an einen früheren Beschluss der Bürgerschaft zum Beitritt zu dieser internationalen Organisation zu erinnern. Der persönliche Beitritt der Oberbürgermeisterin ist mittlerweile vollzogen. Wir konnten ihr ein Versprechen abringen, mit uns mindestens einmal im Jahr eine öffentliche Veranstaltung zu unseren Themen zu machen. Am Flaggentag der Mayors for Peace im Juli werden wir sie zur Umsetzung drängen. Nachdem wir den Städteappell von ICAN in die Bürgerschaft eingebracht hatten, beschloss diese nach kontroverser Diskussionen, dem Appell beizutreten – und das in einer Stadt, die weitgehend von Militär und Militärforschung (z. B. Marinehauptquartier, militärische Unterwassertechnologie-Messe, zentrales Marinearsenal und zentraler Luftwaffenstützpunkt für den Eurofighter) geprägt ist. Diese Stadt war immer schon ein wichtiger Rüstungsproduktionsstandort. Mit diesem „Erfolg“ im Rücken werden wir systematisch weiter versuchen, Städte, Gemeinden und Landkreise zu diesen „kleinen“ Schritten zu bewegen.

Wir wollen auch mit den verstreuten Mitgliedern in unserem weitläufigen Bundesland in Kontakt kommen und von ihnen erfahren, wo sie aktiv in anderen Netzwerken sind oder werden wollen und wie wir vielleicht als kleine Gruppe Hilfestellung und Ermutigung geben können. Als Mittelpunkt für unser Bundesland haben wir Güstrow gewählt, das aus allen Ecken von Mecklenburg-Vorpommern einigermaßen bequem zu erreichen ist. Mit den Themen Uranbergbau, Uranmunition und Atomwaffentests als nukleare Kette, die uns heute weiter bedroht, konnten wir an originäre IPPNW-Themen anknüpfen, die auch die Bevölkerung hier im Osten tangieren.

Über 30 Kolleginnen und Kollegen kamen am 20. Januar in Güstrow zusammen. Mit Vorträgen von Dr. Sebastian Pflugbeil und Frieder Wagner sowie einem eigenen Beitrag konnten wir lebhafte Diskussionen entfachen. Einige Kolleginnen und Kollegen gaben zusätzliche Details aus ihrem beruflichen Erfahrungsgebiet preis, die längst in Vergessenheit geraten sind, wie z. B. das nach der Wende geschlossene Krebsregister in der DDR und die „von oben angeordnete Vernichtung all dieser wertvollen Daten, insbesondere zum Uranbergbau in Sachsen und Thüringen. Die drei Vorträge zur nuklearen Kette wollen wir baldmöglichst veröffentlichen. Die auf großes Interesse stoßende Ausstellung zu diesen Themen „Hibakusha Weltweit“ wollen wir im kommenden Jahr verschiedenen Schulen in MV anbieten.

Fazit: Auch in Krisen- und Kriegszeiten lohnt es sich, Impulse zu setzen und der um sich greifenden Ohnmacht und Resignation entgegenzuarbeiten, neue „Samen des Widerstandes in den gesellschaftlichen Humus“ einzubringen und gemeinsam mit innerer Freude zu beobachten, wie das „Pflänzchen Widerstand“ langsam gedeiht. Damit ist auch unsere Jahresplanung vorgegeben: Am 8. Juli 2024 wollen wir den Flaggentag der Mayors for Peace in Rostock veranstalten und im November die „Weltwechseltage“ mit unseren Themen besetzen. Mit der RegioContact Nord in Güstrow wollen wir auch im nächsten Jahr ein Austauschforum für IPPNW-Mitglieder anbieten. Wir werden in ein, zwei, drei Jahren sehen, ob unsere „Maulwurf-Basisarbeit“ erfolgreich sein wird.

Treffen für Interessierte: immer am letzten Dienstag im Monat
Kontakt: iskenius@ippnw.de

Ernst-Ludwig Iskenius ist IPPNW-Mitglied und hat das RegioContactNord-Treffen in Güstrow organisiert.