Bericht: Konferenz für Frieden und nachhaltige Entwicklung

Der Veranstaltungsort: Das Nicolaihaus in Berlin Foto: IPPNW

Das Berliner Nicolaihaus, Veranstaltungsort der Konferenz. Foto: IPPNW

Ein Jahr vor dem UN-Friedensgipfel 2024 veranstaltete das Haus für die Vereinten Nationen am 23. Oktober 2023 im Berliner Nicolaihaus eine Konferenz zu den Themen Frieden, Gerechtigkeit und Klimaschutz durch nachhaltige Entwicklung. Das Haus für die Vereinten Nationen ist ein eingetragener Verein. Er verfolgt das Ziel, ein Standbein für die UN in der Bundeshauptstadt zu erschaffen, da diese in Deutschland bisher lediglich in Bonn vertreten ist. Das Ziel der Organisation ist es außerdem, die Zivilgesellschaft in Berlin durch Veranstaltungen, Austausch und Vernetzung für internationale Politik zu begeistern. Die Konferenz bestand aus Vorträgen, die die verschiedenen Dimensionen von Global Governance beleuchteten und die von angeregten Diskussionen im Plenum begleitet wurden. Insgesamt gab es fünf Vorträge, die sich mit diversen Facetten der inter- und supranationalen Politik beschäftigten.

Rolf Kreibich, Vorsitzender des Haus für die Vereinten Nationen, leitete die Konferenz mit einer Rede und den Schlüsselwörtern Digitalisierung, Klima, Zukunftsfähigkeit und Solidarität ein. Besonders betonte er den Begriff der „zweiten Aufklärung“ mit deren neuen Leitidealen Kollektivität, Empathie und Balance. An diesem Nachmittag sollten sich viele der Reden auf genau diese Ideale berufen.

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Präsident des Club of Rome von 2012 bis 2018, fuhr mit einer kritischen Ansprache fort. Der Kern seiner Rede beschäftigte sich mit einer Kritik am Neoliberalismus. Das mit dem System verbundene Bedürfnis nach immer mehr Wachstum stehe im direkten Konflikt mit nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz. Außerdem sei das Wachstumsziel in der Politik überrepräsentiert und halte so politische Prozesse zum Klimaschutz und zur Friedensstiftung auf. Er betonte zudem, dass momentane Kriege, wie der Russland-Ukraine Krieg und der Konflikt im Nahen Osten, nicht durch militärische Mittel gelöst werden können. Das Problem der Überbevölkerung wurde ebenfalls aufgegriffen und als entscheidender Faktor im Wettbewerb um globale Ressourcen eingestuft. Weizsäcker, der zwischen 1998 und 2005 für die SPD im Bundestag saß, argumentierte für eine Veränderung in der Politik hin zum Zusammenkommen und zur Kooperation, um den zukünftigen Generationen eine friedliche Welt mit einem „gesunden Klima“ zu hinterlassen.

Der Appell zum Schluss und die Kritik am neoliberalistischen System sowie die Betonung der damit einhergehenden Folgen waren nachvollziehbar. Außerdem klangen in der Rede sowohl die Leidenschaft als auch die Frustration einer Person an, die im Bereich der internationalen Politik tätig ist und sich den ungelösten Problemen der Menschheit deutlich bewusst ist.

Im Anschluss zu den eher politischen Vorträgen präsentierte Tania Singer einen Forschungsansatz, der Ökonomie und Neurowissenschaften verbindet.
Sie beschrieb, dass es in unserer Gesellschaft und Wirtschaft an Mitgefühl mangele, was die globalen Probleme verstärke. Diese globalen Herausforderungen umfassten Einsamkeit, Stress, Individualismus/Narzissmus, die Klimakrise, mentale Gesundheitsprobleme (wie Depressionen) und Armut in einer reichen Gesellschaft.
Das Modell des Menschen als Homo Economicus lehne sie entschieden ab. Singer zufolge gehe es „am Menschen vorbei“. Der Mensch treffe nicht nur rationale Entscheidungen durch unveränderliche Präferenzen, sondern bestehe aus verschiedenen Motivationssystemen. Diese Motivationssysteme lassen sich in drei Kategorien einordnen; Belohnung (Leistung, Konsum, Macht), Bedrohung (Ärger, Angst) und Sozial (Bindung, Fürsorge). Dabei betonte die Forscherin, dass das Motivationssystem „Belohnung“ in unserer Gesellschaft momentan einen viel zu hohen Stellenwert zugeschrieben bekomme. Um die dadurch verursachten globalen Probleme zu lösen, setzt Singer auf der individuellen Ebene an. Durch praktische Übungen solle die individuelle Fähigkeit zu Empathie, Fürsorge und Altruismus “trainiert” werden. Wenn genug Menschen sich beteilgen könne dies einen gesellschaftlichen Mentalitätswandel bewirken.

Zur Veranschaulichung beschreibt sie das Projekt ReSource. Dort wurden Menschen über mehrere Monate zusammengebracht um ihre Fürsorge zu trainieren und somit das “soziale” Motivationssystem anzuregen. Teilnehmer*innen berichteten von einer positiven Veränderung in ihrer Fürsorgebereitschaft, welche auch in Gehirnscans nachgewiesen werden konnte. Eine Schlussfolgerung der Studie ist, dass Altruismus trainiert werden kann. Dies könnte einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben, indem es die Wurzel unserer internationalen Herausforderungen auf einer individuellen Basis angeht. Dieser Konferenzbeitrag verband eine neue Perspektive auf die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung mit einem innovativen Lösungsvorschlag.

Der vorletzte Beitrag wurde von Alexandra Wandel geteilt, Vorstandsvorsitzende des World Future Council. Die drei führenden Themen darin waren Frieden, Klimaschutz und Zukunftsgerechtigkeit. Einen Lösungsansatz für diese Herausforderungen sieht Wandel im internationalen Recht: Einmal in der Stärke des Internationalen Gerichtshofs, außerdem in der Möglichkeit, Gesetzgebungen zu „exportieren“, also eine Art best practice-Ansatz für innovative Gesetzgebung. Das hieße, effektive und inspirierende Gesetzgebungen weltweit zu identifizieren und in anderen Ländern einzusetzen, um Probleme schneller und besser zu bekämpfen. Ein weiterer Appell Wandels war die Umsetzung des 7-Generationen-Prinzips. Dieses Prinzip, das zuerst in den indigenen Völkern Amerikas aufkam, beruht darauf, Entscheidungen im Hinblick auf die nächsten sieben Generationen zu treffen und sich zu fragen, ob Gesetzgebungen auch vorteilhaft für Mensch und Umwelt in 200 Jahren sind. Mit dieser Frage der Generationsgerechtigkeit, beschäftigt sich die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Zuletzt machte Frau Wandel auf den Negativitätsbias von Schlagzeilen aufmerksam. Obwohl Nachrichten nicht verschönert werden dürften, sollte Berichterstattung stets auch ein Spektrum an Lösungsvorschlägen enthalten, damit Probleme nicht nur hingenommen, sondern auch angegangen werden. Dieser Vorschlag erinnert an das Konzept des constructive journalism.

Dieser Konferenzbericht hat seine zentralen Herausforderungen in den Bereichen Frieden, Gerechtigkeit und Klimaschutz aufgegriffen und zugleich die innovativen Lösungsvorschläge der Vortragenden identifiziert. Insgesamt war es eine anregende Veranstaltung, die verschiedene Meinungsträger*innen hat zu Wort kommen lassen. Man muss jedoch anmerken, dass (obwohl alle Beteiligten regelmäßig von der Wichtigkeit der Jugend gesprochen haben) das Publikum einen recht hohen Altersdurchschnitt hatte. Ein weiterer Kritikpunkt: Das bearbeitete Themenfeld war extrem breit, weswegen es schwierig ist, klare Schlussfolgerungen aus der Konferenz zu ziehen. Da man die Meinungen und Lösungsansätze außerdem durchaus kritisch betrachten sollte, weise ich hier noch auf eine kleine Literaturauswahl hin. Um die Ideen, Kritik und Vorschläge der Konferenz abschließend bewerten zu können, ist eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit diesen Materialien nötig.

 

Luna Cathrine Schreiner ist Praktikantin in der IPPNW-Geschäftsstelle in Berlin.

 

Weitere Informationen:

Planet we – Wirtschaft & Weltpolitik wettbewerbsneutral gestalten:
www.planetwe.net

Tania Singer: www.taniasinger.de

World Future Council – Jahresberichte: www.worldfuturecouncil.org

Ein Gedanke zu „Bericht: Konferenz für Frieden und nachhaltige Entwicklung

  1. Danke für den Bericht und auch die nachvollziehbaren kritischen Anmerkungen. Vieles aus den Vorträgen kam mir zudem nicht besonders neu vor …leider sind diese kliugen Gedanken und Problemanalysen schon lange in der Welt, ohne dass sie in ausreichendem Maße berücksichtigt werden.
    Zu der These “Eine Schlussfolgerung der Studie ist, dass Altruismus trainiert werden kann. Dies könnte einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben, indem es die Wurzel unserer internationalen Herausforderungen auf einer individuellen Basis angeht.” meine ich, dass in Menschen ein starkes soziales Motivationssystem angelegt haben, dass aber nicht nur Trainings fehlen, sondern vielmehr die strukturellen Bedingungen (vor allem Gerechtigkeit), unter denen es sich entfalten kann.

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