
Am 9. Juni 2016 veranstaltete die Fraktion “Die Linke” ein Fachgespräch zum Thema “Minsk II: Ausweg aus der ukrainischen Krise?”. Foto: Fraktion Die Linke
Am 8. Juni 2016 habe ich als Praktikant der IPPNW an einem Fachgespräch der Fraktion „Die Linke“ teilgenommen. Thema war der Ukraine-Konflikt und die Frage nach dem Status quo und den weiteren Erfolgsaussichten von Minsk II. Um diese Fragen zu beantworten, kamen verschiedene Experten aus Russland, Ukraine und Deutschland zu Wort. Yevgen Kopatko (Soziologe, Ukraine) konnte aufgrund seines derzeitigen Aufenthalts im Exil lediglich über Video zugeschaltet werden. Leider kann ich seine Äußerungen in diesem Beitrag nicht vollumfänglich berücksichtigen, weil aufgrund von Übertragungsschwierigkeiten die anwesenden Dolmetscher Probleme mit der Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche hatten. Unter den physisch anwesenden Gästen waren Dimitri Dzhangirov (Politikwissenschaftler, Ukraine), Gernot Erler (MdB, OSZE-Sonderbeauftragter der Bundesregierung) und Oleg Bondarenko (Progressive Politics Foundation, Russland) und Wolfgang Gehrcke (MdB, Stellvertrender Vorsitzender der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag.
Moderiert von Christiane Reymann äußerten sich die Gäste zu dem Thema Minsk II. Zunächst gab Wolfgang Gehrcke eine Einführung und verwies auf die prekäre Situation der Ukraine, die sich derweil als „offene Wunde“ in Europa darstelle. Er forderte zu Kooperation auf, die insbesondere mit Feinden aufrechterhalten werden solle. Daher sieht Gehrcke in “Minsk II” ein wichtiges Forum, in dem sich die beteiligten Staaten austauschen können.
Gernot Erler als Vertreter der Bundesregierung legte besonderen Wert auf eine zu findende politische Lösung, die einer militärischen Lösung keineswegs weichen solle. Denn neben der Tatsache, dass Krieg zu jedem Zeitpunkt zu vermeiden sei, bestünden enge zivilgesellschaftliche Verflechtungen zwischen Deutschland und Russland, die sich beispielsweise in diversen Städtepartnerschaften darstellen würden. Mit Verweis auf das insgesamt vorherrschende Spannungsverhältnis zwischen den NATO-Staaten und Russland insgesamt sei darüber hinaus eine Eskalation des Konflikts unter allen Umständen zu vermeiden. In seiner Funktion als OSZE-Sonderbeauftragter der Bundesregierung gab Erler Einblicke in die Arbeit der neutralen Informationsbeschaffung zu dem Konflikt, die insbesondere durch die SMM (Special Monitoring Mission to Ukraine) getragen werde. In einer späteren Diskussion kam die Frage der mangelnden Handlungsfähigkeit der OSZE auf, denn sie besitzt noch immer keine Völkerrechtssubjektivität und daher auch keine Rechte und Pflichten, wie sie beispielsweise der UNO obliegen. Dadurch ist ihre Handlungsfähigkeit im Ukraine-Konflikt sehr begrenzt. Angesprochen auf mögliche Änderungen in diesem Bereich, verwies Erler auf Versäumnisse der Mitglieder, aber auch darauf, dass ein zu findender Konsens über eine Kompetenzerweiterung unter 57 Mitgliedstaaten schwerlich möglich sein werde.
Mir ist besonders die emotionale Stellungnahme von Dimitri Dzhanginov im Gedächtnis geblieben, der der Meinung ist, dass die die Ukraine lediglich einen Grund bietet auf dem die NATO-Staaten und auch Russland ihre Interessen bestmöglich zu erfüllen versuchen. Dabei werde oftmals außer Acht gelassen, was denn für die ukrainische Bevölkerung das Beste sei. Es dürfe nicht sein, dass die Bevölkerung wegen ihres Geburtsortes im Spannungsfeld von Russland und den NATO-Staaten die Leidtragenden sind. Die Ukraine sei keine Hobelbank und die Menschen in der Ukraine ebenso wenig die Holzspäne.
Alle geladenen Experten waren sich in der Frage einig, dass Minsk II die beste Lösung ist, um den Ukraine-Konflikt in den Griff zu bekommen. Auch wenn bis dato keiner der 13 Punkte des Abkommens umgesetzt wurde, sei es dennoch der beste Weg zu einem Waffenstillstand zu kommen, in einem Konflikt, in dessen Folge Tag um Tag Soldaten sterben und es Opfer in der Zivilbevölkerung gibt.
Marek Jessen studiert im 6. Semester an der Philipps-Universität in Marburg Politikwissenschaft und ist Praktikant in der Geschäftsstelle IPPNW in Berlin.