In Bethlehem und Abu Dies, Palästina fand vom 3. bis 31 August 2019 – wie jedes Jahr – das Refugee-Camp-Projekt (ReCaP) statt. Organisiert wird dieses Projekt von palästinensischen Medizinstudierenden, die meist bereits in der Medizinstudierenden-Vertretung IFMSA (International Federation of Medical Students’ Associations) der Al Quds Universität aktiv sind. Hauptverantwortlich für die diesjährige Planung und voraussichtlich auch für die kommenden Jahre war Batool Ammar.
In dem Projekt wird es zehn Medizinstudierenden aus aller Welt ermöglicht, zusammen mit den Studierenden vor Ort, das palästinensische Studiensystem, die medizinische Versorgung im Allgemeinen und im Besonderen für die Menschen mit Flüchtlingsstatus, die politische Situation und die Arbeit vieler kleiner und großer Organisationen in dem Land kennenzulernen. So waren wir dieses Jahr fünf Briten, eine Slowakin, eine Italienerin, ein Malteser und zwei Teilnehmerinnen des Austauschprojekts famulieren & engagieren, die nach Palästina reisten. Den gesamten Monat über wohnten wir zusammen in zwei benachbarten Wohnungen in Bethlehem und allein schon dieser Austausch zwischen uns Gästen war sehr bereichernd. Mit dieser Gruppe war es also umso spannender, Land und Leute ein wenig kennenzulernen.
In der ersten Woche fuhren wir jeden Tag in die Al Quds Universität nach Abu Dies. Dort hörten wir uns Vorträge von Professoren an, die uns einerseits die Möglichkeiten und andererseits auch die Probleme eines Studiums an einer palästinensischen Universität erklärten oder uns bestimmte politische Situationen näher brachten und verdeutlichten. In dieser ersten Woche lernten wir sehr viele Palästinenser*innen im Gespräch, im Spiel oder auch jeden Nachmittag im Arabischunterricht kennen. Die Menschen der ersten Woche begleiteten uns abwechselnd über die kommende Zeit und nicht wenige Freundschaften entstanden über diesen Austausch.
Ab der zweiten Woche hospitierten wir in Kleingruppen, jeweils begleitet von palästinensischen Medizinstudierenden, in vier verschiedenen Kliniken. Diese waren das staatliche Krankenhaus Al Husseini im Stadtteil Beit Jala, das Dheisheh Health Centre der UNRWA, das Shams Zentrum (in Trägerschaft der UN) und die Khamastha Clinic (ebenfalls in Trägerschaft der UN). Jede*r konnte jede Gesundheitseinrichtung während des Monats besuchen und je nach Patientensituation auch direkt mithelfen. Diese Klinikroutine auflockernd, organisierten unsere Gastgeber*innen Ausflüge und Besuche anderer Städte und Organisationen. So lernten wir viel über die Situation in den Flüchtlingslagern in Bethlehem, Nablus und in der Nähe von Hebron, besuchten Organisationen, die sich für eine Stärkung der Bevölkerung und einen friedlichen Dialog mit Israel bemühten, fuhren nach Ramallah, Nablus und Hebron und lernten jeweils etwas über die Geschichte und aktuelle Situation in den Städten kennen. Auch Aktivitäten wie zum Beispiel eine Wanderung oder der Besuch eines Weinguts trugen zu einem wesentlich vielfältigerem Bild des Landes bei und boten zugleich viele Gesprächsgelegenheiten.
Schon während des Monats wurde uns die große Chance dieses Austausches bewusst, doch im Rückblick wird es umso deutlicher, wie wertvoll diese Zeit für Teilnehmer*innen als auch für Gastgeber*innen war. Für viele von uns Gästen, war dieser Monat der Beginn, sich mit der Situation im Nahen Osten intensiver auseinanderzusetzen, Freunde und Kommilitonen auf ReCaP aufmerksam zu machen und weiterhin rege in Kontakt zu bleiben. In vielen Gesprächen erfuhren wir zudem, dass es auch für die Palästinenser*innen viele neue Einblicke in Lebensrealitäten ihrer Landsleute brachte, die sie so noch nie hatten und sonst vielleicht auch nicht erhalten hätten. Auch nachdem bereits zwei Monate nach Projektende verstrichen sind, kommen immer wieder neue Fragen auf, die dank der sozialen Medien auch noch gestellt werden können und über die wir in der Gruppe diskutieren.
Dieses Programm hat Personen aus aller Welt miteinander verknüpft und durch gemeinsame Erlebnisse zusammenwachsen lassen. Es stellt für mich eine sehr wertvolle Zeit dar, in der ich durch eigene Erfahrungen, Eindrücke, aber auch Erzählungen und Geschichten aus erster Hand, sehr viel lernen und erkennen konnte und die Erlebnisse auch weiterhin nachwirken. Ich glaube durch die Struktur und den Austausch in ReCaP wurde eine Nachhaltigkeit ermöglicht, die sonst in diesem Maße nur schwer durch Reisen in ein anderes Land – sei es mit oder ohne Praktikum in einem Krankenhaus – machbar ist.
Deshalb kann ich nur hoffen, dass auch in Zukunft noch viele weitere Medizinstudierende aus aller Welt an diesem Projekt teilnehmen können und würde mich über die Weiterführung finanzieller Unterstützung des Projektes sehr freuen.
Ein Bericht von Miriam Machill (famulieren & engagieren-Teilnehmerin 2019)