
Brücken der Verständigung: Ausflug nach Bamberg. Foto: IPPNW
Zum 20. Mal durfte die IPPNW-Gruppe Würzburg dieses Jahr sieben Medizinstudierende aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens für einen Monat in Würzburg willkommen heißen. Ziel des Programms ist das Zusammentreffen junger Menschen der verschiedenen Ethnien und Nationalitäten des Westbalkans auf neutralem Grund – um Kontakte und Freundschaften entstehen zu lassen und nachhaltig den Friedensprozess dieser Region zu fördern. Ein Bericht über intensive vier Wochen, tiefsitzende Konflikte und einen bereichernden Austausch.
Sie kommen aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien und Serbien – Andrea, Nizar, Floran, Marija, Gent, Ivana und Zorica repräsentieren jeweils eines der Länder oder eine der großen Bevölkerungsgruppen des Westbalkans. Als junge Medizinstudierende engagieren sie sich in den lokalen IPPNW-Gruppen oder haben das Ziel, eine Gruppe in ihrer Stadt zu gründen. Dieses Jahr wurden sie von der IPPNW Regionalgruppe Würzburg eingeladen, um einen Monat ihrer Sommerferien in Würzburg zu verbringen. Neben einem vierwöchigen Einblick in die Abteilungen der Missionsärztlichen Klinik Würzburg erwartete sie ein intensives Freizeitprogramm zusammen mit der IPPNW- Studierendengruppe Würzburg und Raum zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion.
Gegründet wurde das Programm „Bridges of Understanding“ im Jahr 1993 durch das IPPNW-Ehrenvorstandsmitglied Professor Dr. med. Ulrich Gottstein. Von ihm stammte die Idee, ein Netzwerk zwischen den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zu schaffen, um Frieden und Versöhnung in den durch Kriege und Konflikte gespaltenen Ländern zu fördern. Bis heute ist das Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten und Ethnien angespannt durch persönliche Erlebnisse aus der Vergangenheit sowie politische und soziale Probleme der Gegenwart.
Am Abend des 16. Augusts 2015 wurden die angereisten Studenten von den für das Programm verantwortlichen Würzburger IPPNW-Mitgliedern Dr. Renate Geiser und Dr. Wolfram Braun und der Würzburger Studierendengruppe bei einem gemeinsamen Abendessen herzlich empfangen. Schon am nächsten Morgen verteilten sich die Studenten auf die verschiedenen Stationen der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. Vormittags lernten die Studenten über die Patientenversorgung auf den Stationen, Funktionsabteilungen und im OP. Nachmittags wurde von den verschiedenen Fachärzten der Klinik ein abwechslungsreiches Fortbildungsprogramm in englischer Sprache zusammengestellt, an dem die internationalen Gäste und auch die deutschen Studierenden mit Begeisterung teilnahmen.
Die Würzburger IPPNW-Studierendengruppe machte es sich in diesem Jahr erneut zur Aufgabe, die gemeinsame Freizeit mit den Gästen aus dem Balkan abwechslungsreich zu gestalten. Zusammen besuchten sie die Lehrklink der medizinischen Fakultät Würzburg und machten Ausflüge nach Bamberg und Nürnberg. Eine Stadtführung und eine gemeinsame Kanutour auf dem Main zeigten den Studenten die schönsten Orte Würzburgs und seiner Umgebung.
“Das Programm hilft definitiv, die bestehenden Konflikte zu bewältigen, weil es den Teilnehmern hilft sich auf eine Art und Weise kennenzulernen, die ihnen klar macht, dass ihre Gemeinsamkeiten weit größer sind als ihre Gegensätze.“ Nizar Eskić, Sarajevo
Einen wichtigen Stellenwert hatten die gemeinsamen Filmnachmittage zu den Themen Atommüll und Konfliktlösung mit anschließender Diskussion. In einer sehr emotionalen Diskussion der Balkanstudierenden untereinander über die Frage der zukünftigen Vernetzung von IPPNW Regionalgruppen zwischen den gespaltenen Bevölkerungsgruppen Bosnien-Herzegowinas wurde allen Beteiligten die Aktualität und Notwendigkeit des Friedensprogrammes deutlich.
Den Höhepunkt des diesjährigen Programmes stellte die Feier zum 20-jährigen Bestehen von „Bridges of Understanding“ dar. Vor zahlreichen Interessierten und Freunden hielten Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein, Dr. Wolfram Braun und Dr. Renate Geiser bewegende Reden. Die Gaststudierenden hatten sich etwas ganz Besonderes überlegt: Nicht die zahlreichen schrecklichen Geschichten der vergangen Kriege auf dem Balkan sollten an diesem Abend im Mittelpunkt stehen, sondern Geschichten, bei denen sich Menschen in den schweren Zeiten des Krieges ganz unabhängig von Ethnie und Nationalität geholfen haben. Unter dem Titel „Candles in the night“ stellte jeder der Studierenden eine dieser berührenden Geschichten der Menschlichkeit vor.
„Schon alleine der Gedanke an Krieg weckt viele schlechte Erinnerungen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es auf beiden Seiten viele Menschen gibt, die bereit sind eine Kerze zu entzünden, um die Furcht vor Feinden auszulöschen und ein Lächeln zu erzeugen.“ Marija Babic, Split
Doch es bleibt nicht bei dem Besuch der Studierenden in Deutschland. Jedes Jahr im Frühjahr findet ein Wochenendtreffen in der Heimatstadt eines Balkanstudenten statt. Um Kontakte zu pflegen oder zu knüpfen und über Themen zu diskutieren, die die lokale IPPNW-Gruppe vorbereitet. Letztes Jahr war es Sarajevo, im kommenden Jahr werden wir uns in Belgrad treffen. Eingeladen sind eine Delegation aus Deutschland und alle ehemaligen und zukünftigen Austauschstudierenden.
„Ich habe wunderbare Freundschaften mit Deutschen und Menschen vom Balkan in Würzburg geschlossen. Natürlich kann ich es kaum erwarten sie in ein paar Monaten wiederzusehen und ihr Gastgeber zu sein.“ Zorica Pavlović, Belgrad
Die diesjährigen Gaststudenten und die IPPNW-Studierendengruppe Würzburg sprechen ihren großen Dank aus an Dr. Renate Geiser und Dr. Wolfram Braun für ihren Einsatz und die Organisation des Programms – ebenso dem Missionsärztlichen Institut, welches das Programm jedes Jahr unterstützt und die Übernachtungsmöglichkeit im Haus St. Michael ermöglicht.
Lukas Breunig ist Medizinstudent in Würzburg im Praktischen Jahr und Mitglied der Studierendengruppe in Würzburg.
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