Bei der vierten Global Health Summer School „From the Power of the Markets to the Health of the People“ vom 14.–20. September 2014 in Berlin ging es um die Privatisierung von Gesundheit, die marktgerechte Restrukturierung des Gesundheitssektors, die sich in einer „Medikalisierung“ des Lebens und einer Kommerzialisierung von Gesundheit äußert. Besorgniserregend ist dabei, dass durch die Entstehung einer regelrechten Industrie Gesundheit von einem öffentlichen Gut und Menschenrecht immer mehr zum Wirtschaftsgut wird. Und somit Profitinteressen an die Stelle einer sozialen Verantwortung rücken. Organisatoren der Summer School und der anschließenden Konferenz „Corporate Capture of Health – a Threat to Science and Democracy?“ waren die IPPNW und die Charité Universitätsmedizin Berlin.
Damit wurde eine Entwicklung angesprochen, die von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, aber scheinbar nur langsam Einzug in das akademische Bewusstsein findet. Berichte über die EU-Austeritätspolitik und ihre Auswirkung auf den Gesundheitsbereich in Ländern wie Griechenland und Spanien erregen derzeit öffentliche Aufmerksamkeit. Meiner Meinung nach ist dies jedoch nur ein Beispiel für einen Trend in vielen EU-Staaten.
Wir beschäftigten uns mit grundlegenden Fragen – Ursachen und Dynamiken einer ökonomischen Globalisierung und wachsenden Ungleichheiten sowie den Effekten auf (globale) Gesundheit – und diskutierten über Lösungsansätze. Die Auswahl des Themas stellte auch uns als OrganisatorInnen vor Herausforderungen, da es derzeit noch nicht ausreichend diskutiert wird. Dadurch, dass es relativ breit formuliert ist, bezieht es zudem viele angrenzenden Themen mit ein. Allerdings kam uns zugute, dass wir in einem sehr gemischten Team gearbeitet haben. Zu einem festen Kern um die InitiatorInnen Peter Tinnemann (Institut für Sozialmedizin, Charité), Frank Uhe, Ulla Georges und Katja Goebbels (IPPNW) und Dieter Lehmkuhl, die ebenfalls schon seit Beginn der Summer School mit dabei sind, kamen Frauke Gundlach und Tina Schotenroehr und schließlich wir als Studierende und (jährlich wechselnde) KoordinatorInnen, Mathias Krisam (Medizin) und Lisa Bäuerle (Soziale Arbeit). Damit trafen engagierte Menschen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und Erfahrungswerten, aber mit demselben Ziel aufeinander. Und ebenso wie es das Programm bereichert hat, hat es sicherlich auch jede und jeden von uns mit neuen Ansichten konfrontiert und in Kompromissbereitschaft geschult.
Nach vielen Treffen und Vorbereitungen war es ein spannender Moment, als die sorgfältig und demokratisch ausgewählten TeilnehmerInnen am ersten Tag eintrafen. Sie bildeten zweifellos das Herzstück dieser Woche und steigerten die Diversität noch um ein Vielfaches. Aus vielen Ländern stammend, deckten sie als Studierende und Professionelle viele Bereiche von Medizin über Epidemiologie, Molekularbiologie, Public/International Health bis hin zur Volkswirtschaftslehre ab. Gleichzeitig repräsentierte die Gruppe aus vier Männern und achtzehn Frauen einen Trend der wachsenden Global-Health-Szene. Schon in der Vorbereitung waren wir bei der Suche nach geeigneten ReferentInnen mit einer Gender-Problematik konfrontiert. Es stellte sich als sehr schwierig heraus, für die Podien Frauen als Expertinnen zu gewinnen. Doch wie wir jetzt wissen, gibt es große Hoffnungen in den Nachwuchs!
Schon bei der Auswahl fiel uns das große Potenzial der BewerberInnen auf und wir legten viel Wert auf den gegenseitigen Austausch und auf Raum, um eigene Projekte und Arbeiten vorzustellen. Dem Feedback nach zu urteilen, fühlten sich die TeilnehmerInnen hier besonders angesprochen und nahmen vor allem aus diesen Teilen Motivation und Inspiration für eigene Zukunftspläne mit.
Neu und spannend war dieses Jahr der begleitende Workshop „Was hat die Globalisierung mit chronischen Nierenerkrankungen zu tun“?. Die Teilnehmenden versetzten sich in die Rollen verschiedener InteressenvertreterInnen, anhand des Beispiels von chronischen Nierenerkrankungen unter Zuckerrohrarbeitern in Nicaragua. In einer Simulation einer Konferenz wurden schließlich die Resultate vorgebracht und diskutiert.
Viel Motivation war vorhanden und hat neben ausgiebigem Kaffeekonsum, die Teilnehmenden wachgehalten. Auch nach zehn Stunden voller Vorträge und Workshops wurde noch bis in die Nacht hinein angeregt diskutiert. So kam es am vorletzten Abend in einer Bar zu einem spontanen informellen und bunten Zusammentreffen vieler global-health-interessierter Studierender. Euphorie, hitzige Gespräche und Wiedersehen lagen in der Luft – und nicht zuletzt das Gefühl, sich für eine gemeinsame Sache einzusetzen,
Die Summer School war einerseits von Professionalität und hochkarätigen Beiträgen geprägt, andererseits von einer lockeren, freundschaftlichen Atmosphäre. Kräftezehrend waren die Tage allemal, trotz Auflockerungsspielen und ausgiebigen Mittagspausen im Sonnenschein, die mit einem Spaziergang zur Eisdiele endeten. Daneben blieb wenig Zeit, sich Berlin anzuschauen. Allerdings gab es abschließend eine lobbykritische Stadtführung durch das Regierungsviertel. Eine Gruppe hat auf dem Weg in das Behandlungszentrum für Folteropfer in Moabit sogar zufällig Angela Merkel auf der Straße getroffen.
Für mich – und ich denke für alle Beteiligten – war es eine intensive Zeit und eine bereichernde Erfahrung!
Lisa Bäuerle hat die diesjährige Summer School mitorganisiert, studiert Soziale Arbeit an der Salomon Hochschule Berlin und ist Mitglied der „Universities Allied for Essential Medicines”.
Danke für diesen anregenden Bericht. Auf dem Zivilklausel Zukunftskongress 2014 – Für eine Wissenschaft und Kultur des Friedens befasste sich eine AG über 4 Stunden mit dem entsprechenden Thema “Brutaler Gesundheitsmarkt -Neoliberale Transformation contra demokratische Gesundheitspolitik”.
Schade dass wir nicht besser vernetzt sind. Dieser Blog kann ein Anfang sein. Mein Referat und das Ergebnis der AG sende ich gern.