Zurück von einem medizinischen Hilfseinsatz an der syrischen Grenze

Operationsplanung: Chirurgen von Interplast helfen verletzten Flüchtlingen an der syrischen Grenze. Foto: Dr. André Borsche

Operationsplanung: Chirurgen von Interplast helfen verletzten Flüchtlingen an der syrischen Grenze. Foto: Dr. André Borsche

Ausgelaugt und fertig erreicht der Plastische Chirurg Dr. André Borsche wieder den sicheren Boden der Kreuznacher Heimat. Eine Woche hatte er in dem türkischen Grenzort Reyhanli syrische Flüchtlinge operativ behandelt. Zusammen mit einem Team von Ärzten aus Kuwait und Griechenland galt es in kurzer Zeit möglichst viele Verletzte zu versorgen und die syrischen Ärzte in die Techniken der Plastischen Chirurgie einzuweisen.

Seit vier Jahren ist das aus Wohncontainern zusammengestellte Emel Hospital in Betrieb, finanziert von Quatar und Kuwait, geduldet von der Türkei und betrieben von syrischen Personal, das direkt über die naheliegende Grenze gekommen war. 50.000 Flüchtlinge hat allein Reyhanli mit seinen 65.000 Einwohnern aufgenommen und keiner stöhnt über die Belastung, da alle das grausame Schicksal der Menschen in Syrien nur zu gut kennen. Pro Tag werden derzeit 30 Personen über die mit Stacheldraht und Mauern umzäunte Grenze durchgelassen. Hierzu gehören auch die Schwerverletzten, die im Emel Hospital auf eine medizinische Hilfe hoffen.
Die Blicke der verstümmelten Kinder kann man nicht mehr vergessen und es wird jedem klar, wie unmenschlich jede Art von Krieg und Terrorismus tatsächlich ist. Während in Paris die Bomben explodieren, ist dies in den syrischen Städten Aleppo und Homes tägliche Wirklichkeit. Die Verzweiflung über die Diplomatie des Westens ist allgegenwärtig. Und trotzdem sind sie dankbar für unsere menschliche Solidarität, in dem wir gemeinsam ihre verletzten Mitmenschen aus Syrien versorgen.

Der sechsjährige Fadi ist schon zwölfmal operiert worden, immer wieder sind seine Wunden vereitert und die hauttransplantierten Areale brechen auf. Sein Vater  war mit dem verletzten Jungen in das Emel Hospital geflohen, seit zwei Wochen hat er nun keinen Kontakt mehr zu seiner Familie in Aleppo, die in einem Stadtteil wohnt, der schwer bombardiert wurde.
Die Mutter des dreijährigen Ibrahim hofft, dass unsere plastische Operation sein entstelltes Gesicht wieder herrichten möge. Im Moment ist aber noch ein großes Pflaster auf Oberlippe und Nase geklebt, das nur unter größtem Protest gewechselt werden darf. Zu tief sitzen in dem Kind noch die Erinnerungen an die Schrecken der fürchterlichen Verletzung.
Der kleine Rashid hat eine Hirnverletzung überlebt und kann seither nicht mehr essen. Er wird künstlich ernährt, aber trotzdem magert er weiter ab und wird wahrscheinlich irgendwann an körperliche Schwäche sterben.

Bei all diesen tragischen Schicksalen ist es bewundernswert, mit welcher Sorgfalt und Zuwendung sich die syrischen Ärzte, Pfleger und Schwestern jeden Tag unermüdlich engagieren. Jetzt kommt gerade wieder ein PKW über die Grenze mit einem jungen Mann im Kofferraum, der durch eine Wirbelsäulenverletzung gelähmt ist und ein infiziertes Druckgeschwür über dem Steißbein aufweist. In Deutschland würde die Behandlung in der Plastischen Chirurgie hierfür mindestens vier Wochen benötigen, vor Ort sicher aber vier Monate und keine weiß, wie die längerfristige Nachsorge aussehen wird.

Viele syrische Ärzte sind ins Ausland geflohen, aber 30 Prozent wollen bleiben. Zwei von diesen couragierten Menschen haben uns ihre Motivation geschildert, ihrer Heimat treu zu bleiben.

Dr. Ahmed ist Allgemeinchirurg und hatte früher in Aleppo gearbeitet, zuletzt im Keller des Krankenhauses. Nun ist er mit seiner Familie an die türkische Grenze geflohen und baut dort ein eigenes kleines Hospital, weil er hofft, dass so nah an der Grenze er von den Bombardements verschont bleiben wird. Zur Zeit operiert er in einer zum Hospital umgebauten Polizeistation und freut sich über den Bestimmungswandel des Hauses.  Er hat sich aus dem Internet plastisch-chirurgisches Wissen angeeignet und kommt jetzt über die Grenze, um von uns zu lernen, da unzählige seiner Patienten plastische Rekonstruktionen benötigen.

Sein Freund Dr. Hisham ist Gefäßchirurg und hatte früher in Homs operiert, bis er mit seinen Kindern aus der Stadt auf Eseln bis in die Türkei geflohen war. Hier ist er nun dabei eine mobiles Hospital auszurüsten, drei Container auf Lastwagen mit einem OP, ein Stationszimmer für die Patienten und Betten für das Personal. Das ganze ist autark konzipiert mit Stromgenerator, Wassertank und Sauerstoffflaschen. Hiermit will er in Syrien direkt hinter die Frontlinien fahren, um erste operative Hilfe zu leisten. Wechselnde Standorte mögen ihn vor einem gezielten Beschuss schützen. Wir sind von den Fotos und dem Mut des Mannes tief  beeindruckt. Gerne wollen wir ihm Unterstützung zukommen lassen.

Zurück in Deutschland hinterlassen diese Eindrücke bewegende Erinnerungen. Was können wir hier tun, um nicht gleichgültig dieses tägliche Desaster des Krieges geschehen zu lassen? Natürlich können wir nicht allen helfen, doch bekommen wir durch die Flüchtlinge in Deutschland jetzt eine Ahnung, wie die Realität für viele Menschen aussieht. Auch ist die uns präsentierte Berichterstattung kritisch zu hinterfragen, wenn alles auf das Konto einiger islamistischer Fanatiker gehen soll. Die Menschen in Syrien spüren viel mehr die Ohnmacht, dass eher international strategische Interessen dahinter stecken und keiner sich wirklich um das Schicksal der Zivilbevölkerung schert.

Mehr Informationen unter: www.interplast-badkreuznach.de

Dr. André Borsche ist Chefarzt der Plastischen Chirurgie im Diakonie-Krankenhaus Bad Kreuznach und Mitglied von Interplast-Germany e.V.