Den Tätern Nase und Gesicht

Titel: Den Tätern Nase und Gesicht  Künstler: Aktion Aufschrei Material: Gips und Goldlack auf schwarzer Pappe Geschätzter Wert: Millionen Menschenleben

Titel: Den Tätern Nase und Gesicht
Künstler: Aktion Aufschrei
Material: Gips und Goldlack auf schwarzer Pappe
Geschätzter Wert: Millionen Menschenleben

Bissig wie die Kälte an diesem Tag sind die Worte der Veranstalter der Aktion „Den Tätern Nase und Gesicht“ von Aktion Aufschrei! ­– Stoppt den Waffenhandel auf der Wiese vor dem Deutschen Bundestag. Jedes Jahr am 26. Februar treffen sich die Aktivisten, um mit einer öffentlich sichtbaren Aktion auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen: Ein grundsätzliches Verbot deutscher Rüstungsexporte. Das Datum bezieht sich auf den Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Jedes Jahr nehmen deutsche Rüstungsfirmen Milliarden Euro durch Waffenexporte ein. Abgesehen von dem offensichtlichen Scheitern der Bundesregierung, sich an das Friedensgebot des Grundgesetzes zu halten, stehen Menschen hinter den Unternehmen. Bei Heckler& Koch wurde 2015 nur ein winziger Anteil an der französischen Börse Euronext gelistet, es gibt einen privaten Mehrheitseigner. Krauss-Maffei Wegmann rangiert in der Sipri-Rangliste der größten Waffenherstellerdes Jahres 2014 auf Rang 83 weltweit und befindet sich in Familienbesitz. Also handelt sich es tatsächlich um Einzelpersonen und Familien, die vorrangig von Produktion und Handel mit Waffen profitieren. Sieben Hauptprofiteuren eine goldene Nase und ein Gesicht zu geben, war Ziel der Kunst- Installation vor dem Bundestag.

„Sich eine goldene Nase zu verdienen, das ist ziemlich was anderes als einen guten Riecher zu haben.“ Mit diesen Worten eröffnete die Moderatorin der Aktion, Christine Hoffmann, die Ausstellung. Denn die goldenen Nasen gehören zu den sieben Chefs von Deutschlands größten Rüstungsexporteuren, allen voran Krauss-Maffei Wegmann und Heckler& Koch. Mit letzterem Unternehmen begann Jürgen Grässlin, der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen die Führung durch die Ausstellung.
Ob Andreas Heeschens goldene Nase (die erste von links) originalgetreu ist, lässt sich schwer sagen – Google spuckt kein explizites als Heeschen ausgezeichnetes Bild aus. Dafür viele Artikel, in denen der Hauptgesellschafter (über 50 Prozent des Unternehmens befinden sich in seinem Besitz) als schüchtern und öffentlichkeitsscheu bezeichnet wird. Er fürchtet vielleicht, FriedenaktivistInnen könnten versuchen, ihm Blumen in seine Pistolen und Gewehre zu stopfen, wie damals die DemonstrantInnen gegen den Vietnamkrieg Blumen in die Gewehrläufe steckten. Um jeder Kugel, die jemals aus einem von Heckler&Koch gefertigten Gewehr abgefeuert wurde, Tribut zu zollen, bräuchte es ausgesprochen viele Blumen. Zwei Millionen Tote weltweit gehen laut Jürgen Grässlin auf die Rechnung des Schwarzwälder Unternehmens. „Die goldenen Nasen sind eigentlich rot getränkt vom Blut ihrer Opfer“, so Grässlin. Die Zahlen sprechen hierbei für sich: Trotz der relativ niedrigen Zahl von 654 Beschäftigten lieferte Heckler& Koch allein an Mexiko und Peru Maschinenpistolen und Gewehre im Wert von 5,4 Millionen Euro. Außerdem gingen Teile für Maschinenpistolen an die Vereinigten Arabischen Emirate, Gewehre nach Katar, Maschinenpistolen an den Oman, Indonesien, Malaysia und Indien sowie automatische Gewehre nach Brasilien. Jedes dieser Länder ist entweder für innerstaatliche oder außerstaatliche Konflikte, Menschenrechtsverletzungen oder eine politische Kultur bekannt, die mit der deutschen Auffassung von Grundrechten und -freiheiten nicht vereinbar sind. Ganze 60 Prozent des deutschen Waffenexports gehen an solche „Dritt-Staaten“, also Staaten, die keine Mitglieder der NATO sind.

Doch es kommt noch viel schlimmer. „Die Waffen wandern. Inzwischen schießt der IS mit G6- und G36-Gewehren. Und das sind genau die Gewehre, deren Lieferung an die Peschmerga der Sicherheitsrat erlaubt hat“, betonte der Vorsitzende der Deutschen Friedensgesellschaft. Dort würden die deutschen Waffen bei Massenexekutionen eingesetzt. Doch nicht nur mit Schusswaffen macht sich Deutschland an der hohen Anzahl der Kriegstoten und -verletzten weltweit mitschuldig. Sondern auch durch den Export von Armeefahrzeugen, beispielsweise von Mercedes-Benz (hierfür steht die Nase von Dieter Zetsche, dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG), durch Kampfflugzeuge von Airbus Defenceand Space sowie Schiffe und U-Boote von ThyssenKrupp Marine Systems. Die U-Boote tragen Israels Atombomben.

Doch standen nicht nur die Daten und Fakten im Vordergrund der Aktion. Der Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Dirk Bingener, lenkte den Blick auf eine Personengruppe, die in besonderem Maße betroffen ist: die Kinder in Konfliktgebieten. Hierbei betonte er vor allem das Leid der Kindersoldaten. Schon 230.000 soll es weltweit geben. Kinder, die dadurch, dass ihnen Erwachsene Waffen in die Hand geben, zu Zielen werden. Ihnen wird die Kindheit, ja oft das Leben genommen.

Fred Holz, Vorstandsmitglied der IPPNW, betonte das individuelle Schicksal von Betroffenen. In einer „One-Bullet-Story“, eine Kampagne der IPPNW, erzählte er von einem jungen Mädchen namens Manashi. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Nepal, wurde sie Opfer der im Himalaja herrschenden Grenzkonflikte zwischen Pakistan, Indien und Nepal – und durch eine Kugel im Gesicht verwundet. Nur in der Hauptstadt Kathmandu, die aufgrund der Höhenlage extrem schwer erreichbar ist, konnte sie im Krankenhaus gerettet und angemessen behandelt werden. Ohne Hilfe durch eine soziale Organisation hätte das für ihre Familie den finanziellen Ruin bedeutet. Diese Geschichte, die in den Köpfen der Zuhörer ein feines Bild von Manashi und ihrer Familie zeichnete, bewegte die Hörer besonders.

Alles in allem lässt sich die Kunst-Aktion als sehr gelungen bezeichnen. Trotz der eisigen Kälte waren die ZuschauerInnen gefesselt und spendeten fleißig zustimmenden Applaus. Immer wieder kamen neugierige Touristengruppen und Schulklassen vorbei, beäugten die Nasen und lasen die Texte auf den Rückseiten der Aufsteller – Aufmerksamkeit war der Aktion dieses Jahres also sicher.

Hannah Mertgen studiert Staatswissenschaften in Passau und ist Praktikantin in der IPPNW-Geschäftsstelle.