Für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik

Tagung “Neue Entspannungspolitik jetzt!” vom 13.-15. Oktober 2017 in Königswinter; Foto: Darmstädter Signal

Unsere Welt befindet sich in Unordnung. Es herrscht Krieg in der Ukraine, in Syrien und im Irak. Jetzt droht zudem ein Krieg in Korea, womöglich sogar ein Atomkrieg. Das löst bei uns allen große Angst und Furcht aus. Wir erleben, dass es im Atomkonflikt um Nordkorea beide Seiten sind, die ohne Rücksicht auf Verluste massiv eskalieren. Die 25 Millionen Südkoreaner, die im Großraum Seoul leben, befinden sich nur 50 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt. Im Großraum Pjönyang leben 4,1 Millionen Menschen. Welches Morden und Sterben wird da von beiden Seiten angedroht?

Szenenwechsel: Auch die NATO und Russland setzen auf Abschreckung durch Aufrüstung und Drohungen gegeneinander statt auf gemeinsame Sicherheit durch vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Was ist in dieser dramatischen Situation die Botschaft der Friedensbewegung? Was bringen wir mit von unserer Tagung „Neue Entspannungspolitik – Jetzt!“, die vom 13.-15. Oktober 2017 in Königswinter stattgefunden hat?

Was wir jetzt brauchen in der Politik, in der Regierung von Deutschland und in Europa ist friedenslogisches Denken und Handeln beziehungsweise Friedenslogik in allen Sparten der Politik. Friedenslogisches Handeln zeigt konkrete, praktische und machbare Wege auf, die Gewalt verhüten und eindämmen. Die neue Entspannungspolitik ist Teil des friedenslogischen Denkens.

In einer Situation, in der die Gefahr eines Atomkrieges wieder so groß ist, wie zu Zeiten des „Kalten Krieges“ hat die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (ICAN) den Friedensnobelpreis erhalten. ICAN ist ein Bündnis aus 468 zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen aus 100 Ländern, das sich bedingungslos für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen einsetzt. Die Kampagne wurde ausgezeichnet, weil sie es schaffte, 122 Staaten für den Atomwaffenverbotsvertrag zu gewinnen.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Vertrag, der den konkreten, praktischen und politisch machbaren Weg in eine atomwaffenfreie Welt beschreibt trotz massiver Gegenwehr der Atomwaffenstaaten, trotz massivem diplomatischen Druck. Die IPPNW gehört zu den Gründungsorganisationen von ICAN. Mittels ICAN haben wir gezeigt, dass es möglich ist trotz Weltunordnung einen praktischen Weg zum Frieden zu beschreiten. Wir haben es geschafft, weil wir die Parlamentarier und Regierungen in den atomwaffenfreien Staaten davon überzeugt haben, sich nicht weiter dem Diktat der Atomwaffenstaaten zu unterwerfen.

Es ist möglich und machbar, die humanitären Interessen, die uns alle vereinen, nach vorne zu bringen. Ähnliches ist ja auch mit dem Klimavertrag von Paris passiert. Auch da hat eine überwältigende Mehrheit der Staaten den Beschluss gefasst, im Interesse des Überlebens von Mensch und Natur konkrete Maßnahmen zu treffen, um den Klimawandel einzudämmen.

Entspannungspolitik ist Teil des friedenslogischen Denkens. Friedenslogik bedeutet eine Überwindung der Sicherheitslogik. Entspannungspolitik mit ihren Begriff von gemeinsamer Sicherheit, ein Begriff, den die großen Friedenspolitiker Willy Brandt und Olof Palme prägten, beinhaltet politisches Handeln, das die Auswirkung des eigenen politischen Handelns auf den Nachbarn und den Gegner miteinbezieht und sich aktiv für friedliche Streitbeilegung einsetzt. Nur durch gemeinsames politisches Handeln können Staaten, können Kriegsgegner wieder Sicherheit gewinnen – eine Sicherheit für gemeinsame Ziele, für menschliche Sicherheit. Menschliche Sicherheit überwindet den militärisch bestimmten Begriff von Sicherheit als Gefahrenabwehr, wie die Sicherheitslogik im gängigen militärisch bestimmten Denken der Politik in Deutschland und Europa vorherrscht. Gleiches gilt für die anderen Groß- und Weltmächte.

Die Bundesregierung würde Geschichte schreiben, wenn sie als erstes NATO-Land den Verbotsvertrag für Atomwaffen unterschreiben würde. Sie würde damit einen wichtigen Schritt in Richtung Friedenslogik gehen.

Dr. Angelika Claußen, Vizepräsidentin IPPNW Europa