Wie kann man den weltweiten Frieden fördern?

"Twisted Gun" vor der UN in New york. Foto: Flicksmores / CC BY-NC-ND 2.0

“Twisted Gun” vor der UN in New York. Foto: Flicksmores / CC BY-NC-ND 2.0

Wie kann man den Frieden weltweit fördern? In dem Versuch, sich dieser Frage zu stellen, hat  die Bundesregierung unter Angela Merkel 2017 ihre Leitlinien Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern veröffentlicht. Ziel dieser Leitlinien war, einen strategischen Rahmen für das friedenspolitische Engagement der Bundesregierung zu schaffen. Mit Verweis auf die deutsche Geschichte bezieht sich die Bundesregierung auf ihre Verantwortung weltweit, Kriege und Völkermord zu verhindern und Minderheiten sowie Menschenrechte zu schützen. Ein Schwerpunkt der Leitlinien ist das Konzept der Krisenprävention: Konflikte erkennen, bevor sie eskalieren und dann entsprechend zu ihrer Entschärfung beitragen. Militärische Interventionen sollen im Rahmen dieses Konzeptes nur als äußerstes Mittel genutzt werden und immer in eine politische Gesamtstrategie eingebettet und mit zivilen Ansätzen verbunden sein. Trotz einer Reihe von Selbstverpflichtungen der Bundesregierung, die sich am Ende des Grundsatzpapiers über vier Seiten erstrecken, sind die Leitlinien von der enttäuschten Opposition und Zivilgesellschaft bei Veröffentlichung als „ungenau, unkritisch und ziellos“ kritisiert worden.

Am 6. November 2019, zwei Jahre nach der Veröffentlichung, lud die Fraktion Die Linke im Bundestag zu einer Zwischenbilanz der vergangenen zwei Jahre unter den Leitlinien zur Krisenprävention ein. Vertreten wurde die Bundesregierung durch Staatssekretär Niels Annen, der einen kurzen Bericht zur Umsetzung der Leitlinien gab und sich dann in einer Diskussion Fragen des Podiums und des Publikums stellte. Als Vertreter*innen der Opposition war Heike Hänsel, die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, Stefan Liebich, der außenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, sowie Kathrin Vogler, die friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, anwesend. Die Zivilgesellschaft wurde repräsentiert durch Dr. Kira Vinke, Ko-Vorsitzende des Beirats Zivile Krisenprävention, sowie Christine Schweitzer vom Bund für Soziale Verteidigung.

Niels Annen betonte das Bedürfnis der Bundesregierung präventiv zu arbeiten und lobte die vorangegangenen Mediationsaktivitäten, durch die bereits „über 30 Prozesse der erfolgreichen Vermittlung“ durch die Bundesregierung begleitet worden wären. Er bedauerte jedoch, dass durch die ständige Beschäftigung der Bundesregierung mit dem täglichen Krisenmanagement der Fokus auf die Krisenprävention teilweise zu kurz komme. Nichtsdestotrotz gebe es „zahlreiche Projekte der zivilen Krisenprävention.“

In der folgenden Podiumsdiskussion kamen diverse Fragen und Kritik zu den Leitlinien und deren Umsetzung auf. Besonders interessant dabei war die Frage von Dr. Kira Vinke nach fehlendem Klimaschutz und warum die Bundesregierung nicht mehr dazu beiträgt. Dass der Klimawandel eine Realität ist und dass die klimabedingten weltweiten Umbrüche vielleicht nicht direkte Auslöser von Konflikt sind, jedoch vermehrt dazu beitragen, steht fest. Umweltveränderungen werden in Zukunft häufiger zu durch Naturkatastrophen bedingte Migrationsbewegungen führen, was mit Konflikten verbunden sein kann. „Frieden, Sicherheit und Entwicklung sind keine isolierten Themenfelder. Sie bedingen einander“, heißt es in der Zusammenfassung der Leitlinien auf der Website des Auswärtigen Amtes. Entwicklung kann nur bei langfristig konstanten Umweltbedingungen gewährleistet werden, da von diesen, abgesehen von daraus resultierenden möglichen Naturkatastrophen, auch die Lebensmittelversorgung abhängt. Wird die Entwicklung gestört, die Lebensmittelversorgung unterbrochen oder sind Länder und deren Bevölkerung von Naturkatastrophen bedroht, wirkt sich das auf die Sicherheit im Land und somit auch auf den Frieden aus.

Stefan Liebich stellte das friedenspolitische Engagement der Bundesregierung auch in Bezug auf die türkische Invasion in Nordsyrien im vergangenen Oktober in Frage. Warum wurde bei der Invasion der Krim Russlands Aktionen scharf als völkerrechtwidrig von Seiten der Bundesregierung verurteilt, bei dem Einmarsch der Türkei jedoch nur zögerlich? Aus Angst, dass die Türkei das Flüchtlingsabkommen kündigen könnte, wirft Liebich der Bundesregierung vor – so dass politische Abwägungen vor einer Stellungnahme und Hilfe für die betroffenen Menschen in Nordsyrien käme. Ebenfalls kritisiert er die Rüstungsexporte in die Türkei, die zwar gestoppt worden sind, jedoch nur in Bezug auf zukünftige Genehmigungen, bereits genehmigte Lieferungen waren davon nicht betroffen. Auch ist der Rüstungsexportstopp gegen Saudi-Arabien erst nach dem Mord an Journalisten und Regierungskritiker Jamal Khashoggi verhängt worden und nicht vorher schon als Reaktion auf das Grauen im Jemenkrieg.

Auch findet er die Beteiligung der Bundesrepublik in Kriegsgebieten fragwürdig. Selbst wenn es keine deutsche militärische Kriegsbeteiligung gibt, ist das Ausbilden lokaler Soldat*innen kritisch zu betrachten. Im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) rüstete die Bundeswehr mit einer Ausbildungsunterstützung im Irak Einheiten aus. Das entsprechende Bundeswehrmandat wurde mehrfach verlängert und lief im April 2018 aus. Bei Protesten im Irak in den letzten Wochen gegen die Regierung, sind bisher mehr als 260 Menschen getötet und über 11.000 verletzt worden – von Militärs, die von der Bundeswehr unterstützt und ausgebildet wurden.

Auf die Frage, warum wenn sie von Krisenprävention redet, die Bundesregierung nicht den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterschreibt, antwortet Niels Annen mit der üblichen Antwort des Auswärtigen Amtes – als NATO-Mitgliedstaat würde Deutschland bei Ratifizierung in einen Interessenskonflikt geraten und zwar wäre das Ziel zwar löblich, doch der Vertrag nicht der Weg, da er die Atomwaffenstaaten nicht mit einbezieht. Dass dieser Vertrag und dessen Ratifizierung nicht nur einen großen symbolischen Wert und ein klares Zeichen für eine atomwaffenfreie Welt bedeutet, sondern auch sobald er in Kraft tritt sicherstellt, dass die unterschriebenen Nicht-Atomwaffenstaaten solche bleiben, lässt Niels Annen außen vor. Wie er selbst bestätigt hat die Bundesregierung einen globalen Einfluss und das Zeichen, dass sie bei Ratifizierung setzen würde, könnte auch bewirken, dass andere NATO-Bündnispartner und Atomwaffenstaaten ihre Atompolitik überdenken.

Dass die Bundesregierung Frieden fördern und Krisen präventiv verhindern möchte, ist löblich. Trotzdem sind die Ansätze dafür nicht annährend ausreichend, um wirklich friedliche Außenpolitik betreiben zu können oder präventiv Krisen zu verhindern. Im Weiteren ist die Schlussbilanz nach zwei Jahren keine positive. Wirtschaftliche und politische Notwendigkeiten der Bundesrepublik stehen nach wie vor vor der Sicherheit und dem Frieden anderer.

Marlene Langenbucher de Olavarrieta ist Studentin des Kombi-Bachelorstudiengangs „Sozial-und Kulturanthropologie und Politikwissenschaft“.