Nachdem René und ich vom 23.-25. April 2016 an der Nukipedia Spring Academy in Berlin teilgenommen hatten, hatten wir eine knappe Woche später die Gelegenheit, nach Genf zum ICAN-Campaigner-Treffen und zu den ersten Tagen der zweiten Phase der Open-Ended Working Group in die UN zu fahren. Vor dem Wochenende in Berlin hatte ich wenig Ahnung von Atomwaffen und ICAN, der “Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen” gehabt, was sich damit jedoch änderte.
Beim ICAN-Campaigner-Treffen wurden viele Informationen von den Campaignern aus aller Welt ausgetauscht sowie Argumente und Informationen über das Atomwaffenverbot vertieft. Die Begegnungen mit den engagierten jungen Leuten bei ICAN beeindruckten mich sehr. Mit wie viel Energie und besonders auch Professionalität sie sich für ihr Ziel einsetzen! Mir wurde immer bewusster, dass dieses Thema unsere Zukunft bestimmt – wie sich die Politik in den Vereinten Nationen gestalten wird, wenn sich einzelne Staaten nicht mehr über den Besitz von Atomwaffen definieren. Gleichzeitig merkte ich allerdings auch, dass ich nicht Politik studiert habe und auch wenig mit Politik zu tun habe, weshalb ich mich sowohl im Maß an Hintergrundwissen und Erfahrung als auch an Abgeklärtheit und Zynismus von den meisten anderen CampaignerInnen unterschied. Braucht es jedoch letzteres vielleicht auch, um mit den teils frustranen Lobbygesprächen, und den stagnierenden Verhandlungen, wo keiner auf den anderen eingeht und einfach stumpf sein Meinung kundtut ohne sich auch nur eine Minute mit dem Gegenüber auseinandergesetzt zu haben?
In den Sitzungen der OEWG werden die Forderungen nach einem Atomwaffenverbot immer lauter – und gleichzeitig versuchen Staaten wie Deutschland dieses mit teils absurden Argumenten zu verhindern, wo doch eigentlich alle Staaten eine atomwaffenfreie Welt als ihr Ziel erklärt habe. Sicherheit – politische oder humanitäre? Realismus oder Idealismus? Irgendwie sind das für mich keine Widersprüche, für die politischen Argumentationen bestimmter Staaten schon. Mittlerweile denke ich, wie wunderbar, dass ein Atomwaffenverbot auch ohne die Skeptiker auskommt.
Die Fragen wurden während der Verhandlungen nicht weniger: Was ist, wenn ein Atomwaffenverbot nicht so funktioniert wie beispielsweise das Streumunitionsverbot? Zumal sich Staaten meines Wissen nie so sehr über Streumunition definiert haben, wie sie es immer noch über den Atomwaffenbesitz tun. Kann man erwarten, dass ein System, dass so von Macht und Ohnmacht bestimmt ist, sich durch neue Normen verändern lässt? Wer sind die Denker und Antreiber der anderen Seite, wie muss deren Weltbild aussehen, dass sie von der absoluten Notwendigkeit dieser Waffen so überzeugt sind?
Bei meinen Beobachtungen lernte ich viel für mich Neues kennen: Wie anstrengend es ist, zuzuhören, wenn Staaten ihre Statements eintönig ablesen und wie erfrischend, ein freies ungeplantes Statement zwischendurch ist. Den Mut, den es braucht, andere beim Wort zu nehmen und Widersprüche zu hinterfragen. Die Hartnäckigkeit von Staaten, eine Antwort und Auskunft einzufordern. Die Politik von starken Frauen, die in der männlich betonten Welt der Politik ihre Stimme erheben und die Aufmerksamkeit auf die Frauen lenken. Die Diplomatinnen aus Irland wurden nicht müde, zu betonen, dass die Auswirkungen von Atomwaffen, Frauen und Kinder weitaus stärker betreffen und daher ihren Stimmen auch mehr Gewicht zustände.
Diese vielen Fragen und Eindrücke, die ich aus Genf mitgebracht habe, zeigen, wie groß die Inspiration der Begegnungen war, die wir machen durften. Ich merke, ich muss noch mehr darüber erfahren und es ist so viel wert, sich für diese Sache einzusetzen.
Birte Vogel studiert im 9. Semester Humanmedizin in Hannover und ist dort in der IPPNW-Studierendengruppe aktiv.