Atomenergie und die Bombe sind eins

Xanthe Hall, IPPNW-Referentin für Atomwaffen und Internationales

Xanthe Hall, IPPNW-Referentin für Atomwaffen und Internationales

Wismut, Deutschland
Los Alamos, USA
Hiroshima und Nagasaki, Japan
Marshall Inseln, USA
Windscale, Großbritannien
Lop Nor, China
Novaya Semlya, Russland
Three Mile Island, USA
Tschernobyl, Ukraine
La Hague, Frankreich
Fukushima, Japan

Von diesen Orten ausgehend kamen Tod und Krankheit für Millionen von Menschen. Große Flächen unserer Welt wurden durch radioaktive Strahlung verseucht. Dies sind Orte, die die so genannte nukleare Kette bedient haben. Aufgelistet habe ich nur wenige der Orte, die Liste ist viel, viel länger.

Am Anfang der nuklearen Kette steht der Abbau von Uran, dazwischen der Atomreaktor, als Produkt der Strom und ganz zum Schluss der Müll. Aber es gibt noch ein Produkt, das gerne vergessen wird: Die Atombombe.

Am Anfang ihrer Geschichte diente die junge Atomenergie militärischen Zwecken – es entstanden die Atombomben. Erst danach wurde entschieden, mit ihr auch Strom zu erzeugen. So ist es kein Zufall, dass man von einer militärischen und zivilen Nutzung der Atomenergie spricht.

Die Technologie, die man für Atomkraft braucht, ist auch Basis für die Entwicklung von Atomwaffen. Deswegen sagen wir:
Atomenergie und die Bombe sind eins.

Seit Fukushima stellen viele Menschen die Frage: Warum ausgerechnet Japan zur Stromerzeugung dermaßen in die Atomenergie investiert hat, nachdem es durch die Atombomben so gelitten habe? Doch diese Spaltung im Kopf zwischen dem „friedlichen“ und dem bösen „militärischen“ Atom ist nicht nur japanisch. Sie begann in den 50er Jahren mit dem „Atoms for Peace“-Programm – der Propaganda mit der die USA die Atomenergie salonfähig machen wollten, um die Atomwaffen behalten zu können. Darauf ist in den 60er Jahren ein Vertragswerk ausgehandelt worden, der diese Welt in zwei teilte: die Atommächte und den Rest der Welt. Der so genannte Atomwaffensperrvertrag. Dieser regelt welche Staaten „offiziell“ Atomwaffen besitzen dürfen und welchen nicht. Die fünf Atommächte haben dem Rest der Welt als Trostpflaster für ihre militärische Unterlegenheit und die Geisel der Menschheit die zivile Atomenergie versprochen. Das Geschenk war jedoch nicht billig.

So entstand die nukleare Kette, die mit dem Uranabbau beginnt. Uran ist im Gestein eingeschlossen. Wenn man Uran abbaut, wird es gefährlich. Radioaktive und giftige Partikel werden freigesetzt, die Krebs auslösen können. Deswegen sagen indigene Völker – die seit Generationen auf uranhaltigem Boden leben – in ihrer Weisheit:
Das Uran muss in der Erde bleiben!

Das Uran wird zum weiteren Einsatz angereichert. Die Unterschiede im Prozess für die jeweilige Endnutzung sind minimal. Für die Atomkraft wird das Uran um rund 3-5% angereichert, für medizinische Isotopen um 20%, für atombetriebene U-Boote und Atombomben um bis zu 85-90%. Also, wenn ein Land anreichern kann, ist der Baustoff für die Waffenoption gesichert.

Es gibt eine weitere militärische Nutzung als Nebenprodukt der Anreicherung: uranhaltige Munition. Diese Waffen können durch die hohe Dichte des Urans Panzer und Beton durchbrechen. Wenn nach Treffern Uranpartikel freigesetzt werden, hat das radioaktive und hochgiftige Schwermetall verheerende Folgen für Mensch und Umwelt. Deswegen sagen wir:
Uranwaffen müssen verboten werden!

Und am Ende der Kette fällt Müll an. Was sollen wir mit den Bergen an Atommüll tun? Manche Länder bevorzugen die Wiederaufarbeitung. Durch das Verbrennen des Urans in einem Reaktor wird Plutonium erzeugt, das durch eine Wiederaufarbeitung abgetrennt werden kann. Es kann Mischoxid (MOX) als Brennstoff hergestellt werden, der in einem MOX-Reaktor wiederum Strom erzeugen kann, wie in Fukushima 3. Oder das Plutonium wird für Atomwaffen verwendet und ergibt sogar „bessere“ Bomben als mit einfachem Uran. So haben japanische Politiker oft daran erinnert, dass sie aus dem „zivilen“ Bereich genug Plutonium angehäuft hätten, um bei Bedarf ein großes Atomarsenal bauen zu können.

Wir müssen die unauflösliche Verbindung zwischen allen Aspekten der nuklearen Kette erkennen: Uranabbau, Anreicherung, Uranwaffen, Atomkraft, Wiederaufarbeitung, Atomwaffen, Atommüll und Fallout. Es ist die für Mensch und Umwelt gefährliche radioaktive Strahlung, die wir bei jedem dieser Kettenglieder zusätzlich erzeugen. Als zentrales Risiko der gesamten atomaren Kette vom Herstellen der Spaltmaterialien bis zum Endlagern ist und bleibt die radioaktive Strahlung.

Dies bedeutet: Eine Renaissance der Atomenergie vergrößert die Gefahr, dass immer mehr Staaten Atomwaffenbesitzer werden.

Das gilt auch anders herum: Weil Staaten sich die Option auf Atomwaffen weiter erhalten wollen, bleibt für sie Atomkraft als Energiequelle attraktiv. Auch deshalb sind sie an einem Fortbestehen der Technologie interessiert und verhelfen der Atomindustrie zu großen Gewinnen.

Letztlich heißt das also, wir brauchen eine doppelte Null-Lösung:
Der Ausstieg aus der Atomenergie und die Abschaffung aller Atomwaffen!

Wer sich für Abrüstung einsetzen will, muss auch den Weg für den Ausstieg aus der Atomenergie bereiten.

Es bedeutet auch: Wer aus der Atomenergie aussteigt, tut was für die Abrüstung, denn Energiepolitik muss auch Friedenspolitik sein.