Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe IPPNW-Mitglieder, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
die Bundesregierung und besonders der Bundeskanzler Olaf Scholz stehen unter massivem Druck, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern.
Der Angriffskrieg Russlands und die schrecklichen Bilder unsäglichen Leids von Zehntausenden Menschen in der Ukraine lösen heftig Empörung aus
und den Ruf nach Gegenwehr, nach Waffen und nach schweren Waffen.
Aber welche Risiken und welche Nebenwirkungen sind mit Waffenlieferungen verbunden?
Selbstverständlich hat die Ukraine nach der Charta der Vereinten Nationen das Recht zur Selbstverteidigung. Aber muss ein Staat wie Deutschland nicht abwägen, ob Waffenlieferungen in die Ukraine zur Deeskalation beitragen oder vielmehr zu einer Eskalation führen?
Waffen befeuern und verlängern Konflikte. Waffen und Militär lösen keine Konflikte. Stattdessen verschärfen sie die Lage und verlängern den Krieg. Das zeigen uns auf drastische Weise u. a. die Kriege in Syrien oder im Jemen. Sie hinterlassen Hunderttausende von Opfern, zerstörte Städte und ein Machtvakuum, in dem für die Menschen keinerlei Sicherheit besteht.
Waffenlieferungen zerstören Neutralität. Zwar ist es völkerrechtlich zulässig, einem angegriffenen Land im Rahmen von kollektiver Verteidigung zu Hilfe zu kommen. Jedes andere Land hat aber die Entscheidungsfreiheit, ob es Waffen liefern oder ob es neutral bleiben möchte. Durch Waffenlieferungen machen wir uns selbst zur Kriegspartei. Es droht, dass Deutschland in den Sog des Krieges hereingezogen wird.
Der Bundeskanzler hat es in seinem Spiegel-Interview vom 22. April 2022 so ausgedrückt: „Es gibt kein Lehrbuch für diese Situation, … ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden“
Das Kernanliegen der IPPNW ist die Verhütung des Atomkriegs. Wir sorgen uns um eine weitere, eine atomare Eskalation. Präsident Putin hat zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine angekündigt, dass Länder, die sich einmischen, mit unvorstellbaren Konsequenzen rechnen müssten.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hält einen Atomkrieg für möglich. Sollte es zum Einsatz von Atomwaffen kommen, droht eine globale Katastrophe.
Der Bundeskanzler sagte letzte Woche im Spiegel Interview, er tue alles, um eine Eskalation und einen Atomkrieg zu verhindern. Trotzdem hat die Regierung diese Woche grünes Licht für Panzerlieferungen von Krauss-Maffei an die Ukraine gegeben.
Wir sehen in den Panzerlieferungen eine große Eskalationsgefahr und können als IPPNW nur davor warnen!
Die Militärdoktrinen der NATO und auch Russlands schließen den Ersteinsatz von Atomwaffen nicht aus. Der Einsatz russischer Nuklearwaffen ist z. B. möglich, wenn die Existenz der Russischen Föderation auf dem Spiel steht, unabhängig davon, ob diese Existenzgefährdung militärisch oder ökonomisch droht.
Diese Woche warnte der russische Außenminister Lawrow davor, der Konflikt in der Ukraine könne in einen Weltkrieg ausarten. Wer das als Bluff abtut, spielt mit dem Feuer. Ein einziger Sprengkopf, über einer Großstadt wie Hamburg gezündet, würde mehrere 100.000 Menschen töten oder verletzen und zu einer weiträumigen Verstrahlung führen.
Der Einsatz von 100 Atomwaffen würde weltweit Klima und Landwirtschaft schädigen und zu extremen Hungersnöten führen. Der Einsatz von 1.000 Atombomben würde unseren Planeten unbewohnbar machen.
Derzeit gibt es weltweit über 13.000 Atomsprengköpfe. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und ein Atomkrieg darf niemals geführt werden!
Auch Vertreter des Militärs haben in den vergangenen Wochen vermehrt vor einer nuklearen Eskalation gewarnt. Der ehemalige Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ex-Brigadegeneral Erich Vad, empfahl, den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her zu denken. „Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen“.
Wir fordern Waffenstillstand und Gespräche statt Waffenlieferungen!
„Die Nato-Staaten sind bereit, die Ukraine beim Kampf gegen Russland auf Jahre hinaus mit Waffen zu beliefern“, sagt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die USA wollen „Himmel und Erde“ in Bewegung setzen. Aber der CIA-Direktor William Burns befürchtet, dass Russland in einer militärisch aussichtslosen Situation eine Atomwaffe als „Warnschuss“ einsetzen könnte. Das könnte dann der Beginn eines Atomkriegs werden, der nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa auslöscht.
Darum fordern wir:
- Waffenstillstand und Verhandlungen,
- Deeskalation statt Waffenlieferungen,
- Nein zum 100-Milliarden-Aufrüstungspaket der Bundesregierung,
- Nein zum 2 %-Rüstungsziel,
- keine neuen Atombomber und keine neuen Atombomben,
- Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag
Von Russland und der NATO fordern wir die Zusicherung, in diesem Krieg und auch zukünftig auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten und dass diese Waffen jetzt aus der erhöhten Alarmbereitschaft genommen werden.
Danke!
Rede von Ralph Urban (IPPNW) am 1. Mai 2022 anlässlich des IPPNW-Jahrestreffens in Hamburg
Der Krieg kostete schon jetzt leben. ein Atomkrieg ist zu verhindern.