Die gegenwärtige Covid-19 Pandemie ist höchstwahrscheinlich das bestimmende Merkmal dieses Jahres und möglicherweise sogar des gesamten Jahrzehnts. Sie überschattet jedoch einige grundlegende Herausforderungen, welche die vergangenen und zukünftigen Jahre der Menschheit mindestens genauso hätten prägen sollen. Leider wurden diese entscheidenden Themen viel zu oft vernachlässigt, so z.B. die Gleichstellung der Geschlechter, die menschliche Sicherheit, aber auch (und ganz wesentlich) der Klimawandel. Dieser hat und wird weiterhin katastrophale Folgen für den Mensch sowie die Natur haben.
Es ist an der Zeit, etwas zu verändern um die politische „Lähmung“ zu überwinden und effektive Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Denn diese Krise hat sich längst weltweit bemerkbar gemacht, zum Beispiel durch globale Hitzerekorde oder durch die Zunahme an Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Wirbelstürme, Brände oder Dürren. UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnet den Klimawandel als „die entscheidende Gefahr und Herausforderung unserer Zeit“.
Dies war auch das Thema des Webinars „Ein sicheres Klima für den Frieden?“ der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) mit Bettina Rühl, Journalistin und Afrika-Expertin, Oliver Hasenkamp, Redakteur der Eine-Welt-Presse, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der DGVN und Ariane Luessen, Redakteurin der Eine-Welt-Presse. Auf der Veranstaltung diskutierten die Referent*innen, warum die Klimakrise eine enorme Bedrohung für das Zusammenleben der Menschen aus aller Welt darstellt und den Frieden und die Sicherheit auf nationaler und globaler Ebene gefährdet. Frühere, bereits bestehende Konflikte würden neu initiiert oder ausgeweitet werden. Obwohl Klima nicht als alleiniger Auslöser für Konflikte gesehen werden könne, wirke es wie ein Katalysator für die Verschärfung von Konflikten auf der ganzen Welt. Das Klima, gekoppelt mit weiteren Einflüssen, werde dann zum Konflikttreiber oder Risikomultiplikator, wie Oliver Hasenkamp es nennt. Auf Klimakrisen folgten z.B. geringe wirtschaftliche Aussichten, zunehmende Armut und Unsicherheit. In der Verflechtung all dieser Einflüsse liege genau die Schwierigkeit, Konflikte zu lösen, denn die Bekämpfung nur einer Ursache, reiche einfach nicht aus. Und auch hier werde wieder deutlich, dass die absolute Notwendigkeit gemeinsamen Handelns geboten sei. Auch Bettina Rühl bekräftigte die wichtige Rolle des Klimas bei der Verschärfung von Konflikten. Konflikte um knappe Ressourcen zum Beispiel müssten aber nicht gewalttätig werden, wenn die Politik regulierend eingreife. Ein Versagen der Politik könne in einer solchen Situation jedoch zu einem Teufelskreis führen: Der Konflikt eskaliert, die Politik greift nicht genügend ein, die Situation verschlechtert sich und der Konflikt und das Versagen der Politik verschärfen sich gegenseitig.
Das Konzept der menschlichen Sicherheit, eines der Hauptthemen der Eine-Welt-Presse hilft, den Einfluss des Klimas zu veranschaulichen. Menschliche Sicherheit stellt ein neues Verständnis von Sicherheit dar, das nicht ausschließlich auf der Souveränität einzelner Staaten beruht. Dieses Konzept des Schutzes des Individuums und der Menschenwürde geht weit über den negativen Friedensbegriff hinaus und umfasst mehr als nur militärische Aspekte und ist nicht mehr ausschließlich auf staatlicher Ebene verankert. Auch andere Bedrohungen der Lebensgrundlagen werden in verschiedenen Dimensionen in der Definition der menschlichen Sicherheit erfasst, wie z.B. wirtschaftliche und gesundheitliche Sicherheit, Ernährungs- oder Umweltsicherheit, persönliche oder soziale Sicherheit sowie kulturelle und politische Sicherheit.
Alle Dimensionen werden stark vom Klima beeinflusst und bedroht, was deutlich zeigt, wie die Klimakrise nahezu jeden Aspekt des menschlichen Lebens gefährdet. Der Zusammenhang zeigt sich beispielsweise in der Ernährungsunsicherheit aufgrund mangelnder Ressourcen, die aufgrund der Klimakrise fehlen. Diese Thematik wurde auch während eines Interviews mit Gernot Laganda des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen für die Eine-Welt-Presse besprochen. Aus diesem Gespräch ging hervor, dass eine von neun Personen auf globaler Ebene nicht weiß, wie sie sich am nächsten Tag ernähren kann. 821 Millionen Menschen weltweit leiden an Hunger. Dies verdeutliche, dass wir bereits ohne die Einbeziehung des Klimawandels als Risikofaktor, noch weit davon entfernt seien, den Hunger in der Welt bis 2030 zu bekämpfen. Schleichende Folgen des Klimawandels, wie die Versalzung des Bodens oder die Veränderungen der Regenzeiten oder der Biodiversität, seien in letzter Zeit in zunehmendem Maße festzustellen. All diese Veränderungen beeinflussten die Ernährungsunsicherheit und veränderten die Landwirtschaft dramatisch. Nicht nur die Produktion von Lebensmitteln sei durch den Klimawandel bedroht, sondern auch die Lagerung und der Transport, beispielsweise durch Überschwemmungen, die verhinderten, dass die Produkte die Konsumenten erreichen. In der Umweltsicherheit sehen wir, laut Ariane Luessen, eine weitere Interdependenz zwischen Klima und menschlicher Sicherheit, z.B. stelle der stetig steigende Meeresspiegel eine massive Bedrohung für die Atoll-Staaten im Südpazifik und ihre Bevölkerung von zehn Millionen Menschen dar. Ein weiteres Beispiel für diesen Zusammenhang sei das Machtvakuum, welches in Haiti nach dem Erdbeben von 2010 entstanden ist.
All dies verdeutlicht die immense Bedeutung einer vorausschauenden Politik, die den Klimaschutz als wesentlichen Risikofaktor sieht und ihn als solchen bekämpfen will. Die bereits angerichteten Schäden können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Was aber bleibt, ist, dass in Zukunft Warnungen nicht mehr ignoriert werden und kooperatives Handeln gefördert wird. Oliver Hasenkamp argumentiert, dass humanistische Hilfe oft zu spät geleistet wird, erst nachdem die Naturkatastrophe eingetreten ist. Es sei jedoch schon im Vorfeld Unterstützung notwendig. Dies hätte sogar wirtschaftliche Vorteile. Das folgende Beispiel fand ich äußerst interessant und veranschaulicht das Argument: In Bangladesch erhielten Kleinbauern bereits vor einer Überflutung, welche durch ein Frühwarnsystem entdeckt wurde, Förderungen (Bargeld-Zahlung), um sicher zu stellen, dass diese sich schützen und ernähren konnten. Nach der Katastrophe benötigten diese Familien weniger humanitäre Hilfe als andere, welche diese Zahlung nicht erhalten hatten. Eine weitere Sicherheitslücke zeigt, wie wichtig eine globale Antwort auf die Klimakrise wäre. Es wird geschätzt, dass der Klimawandel bis 2050 200 Millionen Menschen aus ihren Wohnorten vertreiben wird, und dass somit 200 Millionen Personen ihre Lebensgrundlage verlieren werden. Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen vermutete bereits 1990, dass Migration eine der größten Auswirkungen des Klimawandels sein könnte. Jedoch fehlt in sämtlichen Staaten der Welt jede rechtliche Grundlage, wie mit der Problematik umzugehen ist. Die Begriffe „Klima“ oder „Umwelt“ sind nicht im Wortlaut der Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention zu finden. Das erschwert die Anerkennung der Menschen, die sich aufgrund von Klima- oder Umweltveränderungen gezwungen sehen, ihr Herkunftsland zu verlassen, als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Wir, als Einzelpersonen können dem Klimawandel entgegenwirken, die Politik und die Wirtschaft können mit inklusiveren und vorausschauenden Lösungsansätzen große Veränderungen hervorbringen. Es ist klar, dass Klima- und Umweltschutz, Frieden, globale Gerechtigkeit und das Überwinden von Armut eng miteinander verbunden sind und nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können. Entwicklungszusammenarbeit lässt sich nicht getrennt von Friedens- oder Klimapolitik sehen. Die Schäden, welche für Mensch und Umwelt, durch den Klimawandel entstanden sind, sind bereits präsent. Meines Erachtens leben wir bereits in einer Zeit, die von einem „unsicheren“ Klima für den Weltfrieden geprägt ist. Deshalb ist es spätestens jetzt an der Zeit, soziale sowie politische Schritte zu unternehmen, um den Klimawandel wirksam anzugehen und das friedliche Zusammenleben zwischen Menschen, aber auch zwischen Natur und Mensch wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Marcela Müggler Corzo studiert Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und arbeitet zurzeit als Praktikantin bei der IPPNW Deutschland.
Ja, die deutsche IPPNW hat schon vor fast 30 Jahren diese Zusammenhänge aufgezeigt und analysiert. Was aber immer noch fehlt, ist eine durchsetzbare realistische Strategie für den Politikwandel. Leider erweisen sich die politischen Eliten als unbeweglich und starr. Deshalb ist massiver >Ziviler Ungehorsam, wie er tzunehemend praktiziert wird, an der Tagesordnung. Eine Organisation wie die IPPNW sollte dazu die Rahmenbedinguungen für Organisation und Durchführung schaffen und so mit ihren heilberuflichen Wissen Wegweiser und Motor für die komplexen Veränderungen werden. Das erfordert Weitsicht und mehr gemeinsames Handeln, als ein gegeneinander Diskutieren. Elu