Wir erreichen Diyarbakir über einen nagelneuen Flughafen. Auf der Taxifahrt in die Stadt scheint alles seinen normalen Gang zu gehen. Dichter Verkehr, die Läden sind geöffnet, die Menschen laufen geschäftig hin und her. Wir sehen ein paar gepanzerte Fahrzeuge und Wasserwerfer. Auf der Fahrt zum IHD (Menschenrechtsverein) kommen wir am Dag Kapi (Stadttor) vorbei. Der Platz ist durch Polizeigitter abgesperrt.
Im Büro des IHD treffen wir einen mutlosen, erschöpften Abdusselan Inceören, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben ist. Niemand habe sich vorstellen können, dass die Staatsmacht derart brutal zuschlagen würde unter Missachtung aller Gesetze. Jedes aber auch jedes einzelne Menschenrecht sei in den von der Ausgangssperre betroffenen Stadtteilen verletzt worden.
Über Cizre gebe es jetzt erste Dokumentationen. Delegationen durften aber erst 15 Tage nach dem Ende der Kämpfe in die Stadt. Bis dahin sei tonnenweise Schutt auf LKWs abgefahren worden mit Leichenresten und Beweisen für die Kriegsverbrechen. Das finde jetzt auch in Sur, der Altstadt von Diyarbakir statt, die weiterhin abgeriegelt sei. Er lehne alle Aktionen ab, die zum Tode von Menschen führen. Auch die Ausrufung der Autonomie als Antwort auf das Ende des Friedensprozesses sei vielleicht ein Fehler gewesen. Die Antwort des Staates sei jedoch völlig unverhältnismäßig und übersteige jede Vorstellungskraft.
Abends treffen wir eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, die uns in den letzten Jahren zur Freundin geworden ist. Die Entwicklung hier sei der in Syrien vergleichbar und führe zu immer mehr Gewalt und einer Ausweitung des Krieges. Der „Psychopath in Ankara“ habe sich alle Nachbarn zu Feinden gemacht, sich sogar mit Russland angelegt.
Mit der Zerstörung der Altstadt Sur sei das Herz von Diyarbakir getroffen. Damit werde er aber nicht aufhören. Schon sei ein weiterer Stadtteil betroffen. Die Menschen in der Stadt und im Land hätten Angst und niemand könne den Präsidenten stoppen. Viele Menschen überlegten, aus den kurdischen Gebieten wegzuziehen, weil sie keine Hoffnung mehr hätten. Ihr Leben sei die Hölle und und ihre Existenz zerstört.
Gisela Penteker ist Leiterin der IPPNW-Delegationsreise in die Osttürkei.
Wir müssen die Nachrichten bündeln, bisher sind mir nur Norman Paech und Eure Nachrichten bekannt und müssen sie öffentlich machen…
Liebe DelegationsteilnehmerInnen,
ich möchte euch allen gratulieren, dass ihr diese Delegationsreise gerade jetzt in dieser extrem schweren Zeit macht und unseren FreundInnen damit viel Untertüzung gebt. Ich lese jeden Tag mit bangem Herzen in den Nachrichten, was wieder an Grausamkeiten passiert ist und ob wir unsere Politikerinnen überhaupt noch beeinflussen können, um diesem Abschlachten der eigene kurdischen Bevölkerung in der Türkei endlich eine Ende zu setzen. Jetzt sieht Cizre und Sur und die anderen Städte auch schon aus wie die kriegszerstörten syrischen Städte.
Angelika