Als Wahlbeobachter in der Türkei

Proteste in Van. Foto: IPPNW

Auf die Kommunalwahlen 2024 wurde aus vielen Gründen gespannt geblickt. Bei den letzten Kommunalwahlen 2019 hatte die kemalistische CHP, die größte Oppositionspartei zu Erdogans AKP, in den großen Städten wie Istanbul, Ankara und Izmir, die Bürgermeister*innen stellen können. Nachdem Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen 2023 als Sieger hervorgegangen war, hoffte die AKP auf eine Bestätigung dieser letzten Abstimmung. Für die kurdische Volkspartei DEM, ehemals HDP, hingegen bedeuten die Wahlen ein Kampf gegen den massiven Repressionsapparat der türkischen Regierung. Schon 2017 und 2019 wurden die demokratisch gewählten Ko-Vorsitzenden Bürgermeister*innen der ehemaligen HDP abgesetzt und durch regierungsnahe Zwangsverwaltungen ersetzt. Bis heute sind ehemals gewählte Bürgermeister*innen unter fadenscheinigen Gründen in Haft. In der Praxis schlossen die Zwangsverwaltungen zivilgesellschaftliche Organisationen, besonders Frauenvereine, verkauften öffentliche Flächen, erschöpften den Haushalt durch das Einstellen vieler Bediensteter in den Behörden und führten die Assimilationspolitik mit neuer Härte fort. Parks, Straßen und Schulen wurden umbenannt, Kurdische Sprachen weiter aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Weiterlesen

Die Erde hat ein Ohr

Sirnac: Blick auf die Hochhäuser, die auf dem Grund der zu 70% zerstörten Stadt gebaut worden sind.

Heute geht es weiter in den Süden Richtung der syrischen Grenze. Unser erstes Ziel ist Sirnak. In dieser recht weit oben in den Bergen gelegenen Stadt wehrten sich 2016 viele junge Menschen gegen die monatelang verhängten Ausgangssperren – unter anderem indem sie Gräben zur Verteidigung um die Stadt zogen. Die Reaktion des türkischen Militärs war verheerend: Fast 70% der Stadt wurden zerstört. Hunderte Menschen starben in den Auseinandersetzungen. Der Großteil der Bevölkerung musste fliehen, viele sind bis heute psyschisch schwer belastet und traumatisiert. Weiterlesen

Wer sich offen gegen den Krieg äußert, muss mit Haft und Verfolgung rechnen

Die neuen bunten Plastikplanen schirmen die zerstörten Gebiete in der Altstadt Diyarbakirs ab. Foto © IPPNW

Seit dem 10. März 2018 sind sieben FriedensaktivistInnen und IPPNW-Mitglieder mit einer Dolmetscherin aus Deutschland in die Türkei gereist. Wie schon seit 20 Jahren wollen wir Mitglieder der Zivilgesellschaft treffen und bestärken und uns ein Bild über die Stimmung im Land und die Lebensbedingungen machen. Der Schwerpunkt unseres Interesses liegt im Südosten, in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebieten, die unter der landesweiten Entwicklung hin zu einer Präsidialdiktatur und unter dem Ausnahmezustand besonders leiden. Weiterlesen

Zermürbungstaktik: Der Menschenrechtler Dr. Necdet Ipekyüz vor Gericht

Verwüstung und Straßensperren in Diyarbakir, Sommer 2017. Foto: IPPNW

Verwüstung und Straßensperren in Diyarbakir, Sommer 2017. Foto: IPPNW

In der Nacht brachte uns das Flugzeug nach Diyabakir. Strahlender Sonnenschein mit bis zu 15 Grad Celsius bei unserem Kurzbesuch dort. Dr. Necdet Ipekyüz, einer der wichtigsten ärztlichen Repräsentanten der Zivilgesellschaft in Diyabakir – Gynäkologe, früherer Präsident der Ärztekammer Diyabakir, später vorübergehend auch Leiter des örtlichen TIHV-Behandlungszentrums für Folteropfer, aktiv auch in verschiedenen medizinischen und gesellschaftlichen Organisationen. Wir haben ihn auf unseren Delegationsreisen regelmäßig treffen können. Er steht unter dem absurden Vorwurf, dem Terrorismus Vorschub zu leisten, weil er medizinische Vorträge, unter anderem zum sozialen Trauma der KurdInnen in der Südost-Türkei, vor dem bisher nicht verbotenen Demokratischen Sozialforum gehalten hat. Jetzt droht ihm eine Gefängnisstrafe. Weiterlesen