„Wir fordern einen Demokratieprozess für alle Völker und Religionen“

Diyarbakir im März 2020. Foto: William John Gauthier / CC BY-SA 2.0

Diyarbakir im März 2020. Foto: William John Gauthier / CC BY-SA 2.0

Onlinebesuch bei der HDP (Partei der Völker) Diyarbakir, 9. April 2021

Es begrüßen uns Hülya Alökmen und Zeyyat Ceylan, die aktuellen Co-Vorsitzenden der HDP in Diyarbakir, die beide inhaftiert waren, sowie Gülsen Özer und Irfan Söner aus dem HDP-Vorstand. Zeyyat Ceylan ist erst vor drei Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden. Die Erschöpfung ist ihm anzusehen. Hülya Alökmen war in 2019 neben Dr. Selcuk Mizrakli die letzte frei gewählte Co-Oberbürgermeisterin der Millionenstadt Diyarbakir. Sie erhielt keine Akkreditierung, und bekam ein Berufsverbot für den Staatsdienst. Gülsen Özer war bis 2019 Co-Bürgermeisterin der HDP in Bismil, einem Stadtviertel von Diyarbakir. Das gesamte Gespräch ist geprägt von einem Nebeneinander von Aussichtslosigkeit und Kampfgeist. Auf unsere Frage, woher sie den Mut und die Ressourcen nehmen, weiterhin Ämter zu bekleiden und politisch aktiv zu bleiben, antworten sie unaufgeregt, das sei wohl genetisch. Im Nahen Osten zu leben und die Welt von dort aus zu sehen, brächte das mit sich. Weiterlesen

“Die türkische Regierung will die Spuren kurdischer Geschichte vernichten”

Große Teile von Diyarbakirs Altstadt Sur wurden dem Erdboden gleichgemacht. Luftaufnahme von 2017.

Große Teile von Diyarbakirs Altstadt Sur wurden dem Erdboden gleichgemacht. Luftaufnahme von 2017.

Onlinebesuch: Architektenkammer Diyarbakir, 7. April 2021

Unser Gespräch mit den Vertreter*innen der Plattform zur Bewahrung des Kulturerbes, der neben der Ingenieurs- und Architektenkammer weitere NGOs angehören, ist sehr intensiv und bedrückend. Nevin Soyukaya, Archäologin aus Diyarbakir, Ferrit Karaman, Kovorsitzender der Architektenkammer und Dogan Hatun von der Ingenieurkammer vereint die Traurigkeit um die in den kriegerischen Auseinandersetzungen 2015/16 zerstörten Städte, die Altstadt Sur von Diyarbakir, Cizre, Sirnak, Nuseybin und Yüksekova. Frau Soyukaya gehörte zu einer Arbeitsgruppe, die seit 2011 die Aufnahme der Stadtmauer und der Hevsel Gärten (Paradiesgärten) zum Tigris hin als UNESCO Weltkulturerbe betrieben hat. Diese Aufnahme erfolgte 2015, kurz vor den Kämpfen in der Stadt. Frau Soyukaya hat 2014/15 in der Stadtverwaltung gearbeitet in der Abteilung zur Bewahrung der Kultur. Sie wurde unter der Zwangsverwaltung entlassen und arbeitet jetzt ehrenamtlich für verschiedene NGOs daran, die Zerstörung von Sur zu dokumentieren, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Weiterlesen

„Wir wollen auch die Friedensutopien der Kinder hören“

Diyarbakir, Kinder am Straßenrand, 2017. Foto: IPPNW (Bild bearbeitet)

Der Verein „CocukCa“ für benachteiligte Kinder,
Onlinebesuch in Diyarbakir am 6. April 2021

Vor unserem eigentlichen Gespräch erfahren wir von Serra, dass es am Vortag eine Razzia im Büro des Frauenvereines „Rosa“ gab, sowie parallel die Festnahme von bisher 22 Frauen, die aber nicht Aktivistinnen dieses Vereins gewesen seien. Das entbehre „wie immer aller Logik“. Sigrid berichtet, dass in der deutschen Presse dazu nur von den üblichen Terrorismusvorwürfen die Rede war. Propaganda und staatliche Repression werden hier nicht weiter hinterfragt.

Spenden aus dem Ausland kontrolliert zuerst der Gouverneur

Es ist ein sehr lebendiges Treffen heute mit Sengül, Cihat, Baris und kurz auch Ramazan, den jungen Leuten von „CocukCa“ (Çocuk Çalışmaları Derneği: Facebook-Seite) aus Sur, der von Belagerung 2016 und Zerstörung betroffenen Altstadt von Diyarbakir. Weiterlesen

Ostergrüße aus Diyarbakir

St. Giragos-Kirche Diyarbakir (St. George), Foto: Adam Jones / CC BY 2.0

St. Giragos-Kirche Diyarbakir (St. George), Foto: Adam Jones / CC BY 2.0

Am Karfreitag, dem 2. April 2021 treffen wir uns mit Dara, die als Anthropologin von der BDP/HDP*-Stadtverwaltung eingestellt wurde, um die multiethnisch, multireligiöse Geschichte der Region mit aufzuarbeiten. Als Armenierin sollte ihr Augenmerk dabei auch den christlichen Minderheiten gelten. Dara berichtet, dass seit der Zerstörung der historischen Altstadt und der Zwangsverwaltung keine solche Arbeit mehr stattfinde. Auch Tourist*innen gäbe es nicht mehr wegen der Propaganda, kurdische Städte seien gefährlich. So sei sie nach der ersten Degradierung als Anlaufstelle in der Touristen-Info, wo sie sich einsam und auf dem Präsentierteller fühlte, noch weiter degradiert worden. Sie friste ihre Zeit nun als Wegweiserin im Eingang des Bürgermeisteramtes. Obwohl sie einen Hochschulabschluss und Berufserfahrung habe, verdiene ihr jetziger staatstreuer neuer Vorgesetzter ohne akademische Ausbildung mehr. Weiterlesen