Van: Die Stadt hinter der Mauer – EU-Abschottungspolitik in der Praxis

Grenzmauer Türkei-Iran. Foto: © Agentur Mezopotamya

Türkei: Die Mauer an der Grenze zum Iran. Foto: © Agentur Mezopotamya

Teil 1

Van ist die östlichste Großstadt der Türkei und liegt ca. 100 km von der iranischen Grenze entfernt. Aufgrund der geographischen Lage ist die Stadt Durchgangsstation für Geflüchtete u.a. aus dem Iran, Afghanistan, Pakistan und Bangladesch. Hier zeigen sich die Auswirkungen des mittlerweile sieben Jahre alten „EU-Türkei-Deals“, der 2021 verlängert wurde. „Mit diesen Mitteln“, so der Europäische Rat, „soll die Unterstützung in den Schwerpunktbereichen Grundbedürfnisse und Bildung, Migrationssteuerung und Grenzkontrolle sowie humanitäre Hilfe fortgesetzt werden.“ (https://www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-migration-policy/eastern-mediterranean-route/). Im letzten Jahr berichteten wir ausführlich darüber, was das konkret für Geflüchtete in der grenznahen Stadt bedeutet. Leider sind mit unserem diesjährigen Besuch in Van keine Verbesserungen der Menschenrechtssituation für Geflüchtete zu verzeichnen. Weiterlesen

Von der “Abwehr von Abschiebungen” zur “Abschiebeprävention” kommen

Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan, Berlin 2017. Foto: IPPNW

Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan, Berlin 2017. Foto: IPPNW

Unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit, die nur auf die aktuelle Pandemiesituation in Deutschland zum Mittelpunkt ihrer Berichterstattung abstellt, registrieren wir derzeit eine enorme Zunahme von Abschiebungen und Fällen der zwangsweisen Rückkehr von Menschen, die bei uns eigentlich Schutz suchen wollten. Darunter sind sehr viele Kranke, alte Menschen oder solche, die als besonders verletzlich gelten (Traumatisierte, Behinderte und andere). Die Methoden, um diese schutzwürdigen Menschen außer Landes zu schaffen, werden immer brutaler:

Eine alleinstehende kranke Mutter von drei Kindern wird aus der Klinik nachts von der Polizei geholt und ins Flugzeug nach Albanien gesetzt. Oder ein junger Mann holt sich nichtsahnend das Geld zu seinem Lebensunterhalt von seiner zuständigen Behörde und wird direkt von der Polizei verhaftet und für fünf Tage in ein Gefängnis gesteckt, von wo aus er in sein Herkunftsland zurückgeschickt wird, ohne Möglichkeit, sich von seiner Umgebung, insbesondere seiner Freundin, verabschieden zu können. Weiterlesen

Flüchtlingsströme als Krisensymptome

Demonstration gegen Abschiebungen aus Afghanistan. Berlin, 2017 - Foto: IPPNW

Demonstration gegen Abschiebungen aus Afghanistan. Berlin, 2017 – Foto: IPPNW

In der Zeitschrift der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung (Nr.164, Dezember 2020) finden sich mehrere Artikel zur ärztlichen Rolle in Abschiebeverfahren gegen Flüchtlinge. Sie berichten über die bedrückenden Erfahrungen der Missachtung ärztlicher Befunde und Diagnosen in Abschiebeverfahren entgegen dem gesetzlichen Standard ärztlicher Ethik. Meine eigene Erfahrung als beratender Kinderpsychiater außerhalb des eigentlichen Asylverfahrens in einem Asylbewerber-Aufnahmelager zeigt auch mir die Vielfalt der psychischen Störungen und Leiden bei den Flüchtlingen, speziell auch den Kindern. Viele sind nicht einmal aus den „offiziellen“ Fluchtgründen (politisch, religiös, militärisch) geflohen, sondern wegen persönlicher Bedrohungen, vor denen sie im Heimatland keinen Schutz fanden, z.B. Frauen vor Übergriffen ihrer Männer bis hin zum Verkauf ihrer minderjährigen Töchter. Weiterlesen

Klimakatastrophe und imperiale Lebensweise

Plastikmüll in Norwegen bei Tromsö, Foto: Bo Eide, Creative Commons

Seit etwa 500 Jahren hat der Mensch die Erde massiv umgestaltet – in immer schnellerem Tempo, in immer größerem Ausmaß und mit immer schwerer wiegenden Folgen. Man hat dieses Geschehen auch „Globalisierung“ genannt – es beruht im Kern darauf, dass einige wenige sich gute Lebensbedingungen sichern, die nur deshalb zustande kommen, weil eine wachsende Zahl anderer Menschen in Not und Elend leben müssen. Dies gilt auch für die Ökologie: Der Zugang zu sauberen Wasser und zu sanitären Anlagen ist für die meisten von uns in Deutschland selbstverständlich – für die meisten anderen im Rest der Welt aber gerade nicht. Diese Menschen werden auch von den Folgen des Klimawandels besonders hart getroffen. Diese „imperiale Lebensweise“, zu deren Konsequenzen auch die Klimakatastrophe gehört, ist auf Dauer nicht hinnehmbar. Weiterlesen